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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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    »Sehen wir der Realität ins Auge, Justine. Auch Sie könnten ein taubes Kind zur Welt bringen, wenn es an Anthonys Genen liegt. Ich hielt es für richtig, Sie auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen. Sind Sie fähig - ich meine, emotional -, mit einem behinderten Kind umzugehen? Haben Sie bedacht, daß ein behindertes Kind Ihrer beruflichen Karriere ein für allemal ein Ende setzen würde?«
    Justine sah ihren Mann an. Er wich ihrem Blick aus. Eine seiner Hände lag zur Faust geballt auf seinem Oberschenkel.
    Justine sagte: »Ist das wirklich nötig, Glyn?«
    »Ich könnte mir vorstellen, daß es hilfreich für Sie ist.« Glyn griff nach ihrer Teetasse. Einen Moment lang schien sie das Rosenmuster auf dem Porzellan zu betrachten. Sie drehte die Tasse nach links und nach rechts, als wollte sie es genau studieren. »Tja, das wäre dann wohl erledigt, nicht wahr? Es ist alles gesagt.« Sie stellte die Tasse nieder und stand auf. »Ich möchte kein Abendessen.« Damit ließ sie sie allein.
    Justine wandte sich wieder ihrem Mann zu. Sie wartete auf ein Wort von ihm, aber er rührte sich nicht. Er schien sich in sich selbst zurückzuziehen und vor ihren Augen zu dem Staub zu zerfallen, aus dem alle Menschen gemacht sind. Er hat so kleine Hände, dachte sie. Und zum ersten Mal dachte sie über den breiten Trauring an seinem Finger nach und über den Grund, weshalb sie gerade diesen für ihn ausgesucht hatte - den breitesten und glänzendsten, den es gab, den auffallendsten.
    »Möchtest du das auch?« fragte sie ihn schließlich.
    Seine Augen wirkten klein und verschwollen. »Was?«
    »Daß ich nicht zur Beerdigung komme. Möchtest du das auch, Anthony?«
    »Es geht nicht anders. Versuch doch, das zu verstehen.«
    »Verstehen? Was denn?«
    »Daß sie im Augenblick für ihr Handeln nicht verantwortlich ist. Sie weiß selbst nicht, was sie sagt und tut. Es geht ihr sehr nahe. Das mußt du verstehen.«
    »Und nicht zur Beerdigung gehen.«
    Sie sah die Geste der Resignation - eine kleine Handbewegung nur - und wußte die Antwort schon, bevor er sie ihr gab. »Ich habe sie tief verletzt. Ich habe sie verlassen. Das wenigstens schulde ich ihr. Das schulde ich beiden.«
    »Mein Gott!«
    »Ich habe schon mit Terence Cuff wegen eines Gedenkgottesdienstes am Freitag in der St. Stephen's Kirche gesprochen. Daran wirst du selbstverständlich teilnehmen. Alle Freunde Elenas kommen.«
    »Und das war's? Das ist alles? Das entspricht deiner Auffassung von unserer Ehe? Von unserem gemeinsamen Leben? Von meiner Beziehung zu Elena?«
    »Es geht doch hier nicht um dich. Du darfst dir das nicht so zu Herzen nehmen.«
    »Du hast ihr nicht einmal widersprochen. Du hättest wenigstens protestieren können.«
    Endlich sah er sie an. »Es muß eben so sein.«
    Sie sagte nichts mehr. Sie spürte nur, wie ihr Groll noch bitterer wurde. Dennoch schwieg sie. Sei ein liebes Mädchen, Justine, konnte sie ihre Mutter sagen hören. Sei nett.
    Sie legte die sechste Scheibe Toast in den Brotkorb und stellte ihn zu den weichen Eiern und den gebratenen Würstchen auf das weiße Korbtablett. Liebe Mädchen haben Mitgefühl, dachte sie. Nette Mädchen verzeihen immer wieder. Denk nicht an dich selbst. Wachse über dich selbst hinaus. Opfere dich für andere, die dringender Hilfe brauchen. Das ist christliche Lebensweise.
    Aber das brachte sie nicht fertig. Auf die Waage, auf der sie ihr Verhalten wog, legte sie die Stunden fruchtlosen Bemühens, eine Beziehung zu Elena herzustellen; die Morgenstunden, in denen sie mit ihr gelaufen war, die Abende, an denen sie ihr beim Schreiben ihrer Aufsätze geholfen hatte, und die endlosen Sonntagnachmittage, an denen sie auf die Rückkehr von Vater und Tochter von irgendeinem Ausflug gewartet hatte, den Anthony für wichtig hielt, um Elenas Liebe und Vertrauen wiederzugewinnen.
    Sie trug das Tablett in den Wintergarten, wo ihr Mann und seine geschiedene Frau am Korbtisch saßen. Seit fast einer halben Stunde stocherten sie in Cornflakes und Grapefruit herum und jetzt, nahm sie an, würden sie mit Eiern, Würstchen und Toast ebenso verfahren.
    Sie wußte, sie hätte sagen sollen, ihr müßt etwas essen, und eine andere Justine hätte es vielleicht geschafft, die wenigen Worte auszusprechen und ihnen den Klang der Aufrichtigkeit zu geben. Aber sie sagte gar nichts. Sie schenkte ihm Kaffee ein. Er hob den Kopf. Er sah zehn Jahre älter aus als vor zwei Tagen.
    »Das viele Essen«, sagte Glyn. »Ich bringe keinen

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