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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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mehr verlangt als nur das zufällige Privileg der Geburt. Politisches Gespür war unerläßlich, wenn man unversehrt ein privates und berufliches Ziel erreichen wollte.
    Nach dieser Maxime hatte Adam sein akademisches Leben eingerichtet. Er hatte sich seinen Doktorvater mit großer Umsicht ausgesucht und Stunden seiner Zeit dafür geopfert, die Kandidaten für den Penford-Lehrstuhl genauestens unter die Lupe zu nehmen. Er hatte sich Anthony Weaver erst genähert, als er relativ sicher gewesen war, daß der Berufungsausschuß der Universität sich für ihn entscheiden würde. Mit dem Inhaber des Penford-Lehrstuhls als Doktorvater würde für ihn der Erfolg praktisch garantiert sein - zunächst eine Position als wissenschaftlicher Mitarbeiter, danach ein Forschungsstipendium, eine Dozentur und schließlich, noch vor seinem fünfundvierzigsten Geburtstag, die Berufung zum ordentlichen Professor. Das alles schien durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen, als Anthony Weaver sich bereit erklärte, ihn als Doktoranden zu nehmen. Und Weavers Bitte an ihn, sich um seine Tochter zu kümmern, damit diese in ihrem zweiten Jahr an der Universität besser fuhr als im ersten, schien ihm nur eine weitere günstige Gelegenheit zu sein, zu beweisen - und wenn nur sich selbst -, daß er den notwendigen politischen Instinkt besaß, um es in diesem Umfeld weit zu bringen. Nur hatte er, als er sich die behinderte Tochter und Weavers Dankbarkeit für seine Hilfsbereitschaft vorstellte, die Rechnung ohne Elena gemacht. Er hatte ein Bild von einem faden Mauerblümchen mit strähnigem Haar und eingefallener Brust gehabt, das gehemmt und verklemmt auf der Kante eines abgewetzten Diwans kauerte. Er hatte sich vorgestellt, sie trüge ein verblichenes Kleid mit Rosenmuster und kurze weiße Söckchen und Schnürschuhe mit abgestoßenen Kappen. Dr. «Weaver zuliebe würde er seine Pflicht mit einer gefälligen Mischung aus Ernsthaftigkeit und Zuvorkommenheit tun. - Er würde sogar ein kleines Notizbuch mit sich tragen, damit sie jederzeit schriftlich miteinander kommunizieren könnten.
    An dieser Idee hatte er auch noch festgehalten, als er den Salon von Weavers Haus erstmals betreten hatte und mit raschem Blick die Gäste gemustert hatte, die zum Fakultätsfest geladen waren. Die Vorstellung vom abgewetzten Diwan hatte er allerdings angesichts der Einrichtung schnell auf gegeben - Abgewetztes oder Fadenscheiniges würde in diesem eleganten Ambiente von Glas und Leder keine fünf Minuten geduldet werden -, doch das Bild von dem reizlosen behinderten Mädchen, das ganz allein in der Ecke saß und Angst hatte, das hatte er sich bewahrt.
    Bis sie auf ihn zugekommen war, katzenhaft, im engen schwarzen Kleid, mit langen Onyxgehängen in den Ohren. Im weichen Schwung ihres blonden Haars wiederholte sich der Schwung ihrer Hüften. Sie lächelte ihn an und sagte, wie er zu hören meinte: »Hallo. Du bist sicher Adam, richtig?« Er konnte die Worte nicht richtig verstehen, weil ihre Aussprache undeutlich war. Er registrierte, daß ein schwüler Duft sie umgab, daß sie keinen Büstenhalter trug und ihre Beine nackt waren. Und daß die Blicke sämtlicher Männer im Raum ihr folgten.
    Sie besaß ein Talent, einem Mann das Gefühl zu geben, er sei etwas Besonderes. Realistisch wie er war, erkannte er, daß dieser Eindruck daher rührte, daß Elena die Menschen beim Gespräch direkt ansehen mußte, um von ihren Lippen ablesen zu können, und eine Zeitlang gelang es ihm, sich einzureden, nur das an ihr fände er reizvoll. Aber selbst an jenem ersten Abend fühlte er sich heftig erregt von ihr.
    Dennoch hatte er sie niemals angerührt. Nicht ein einziges Mal, obwohl sie sicher ein Dutzend Mal oder häufiger gesehen hatten. Er hatte sie nicht einmal geküßt. Und das eine Mal, als sie ihm impulsiv über den Oberschenkel gestreichelt hatte, hatte er automatisch ihre Hand weggeschlagen. Sie hatte ihn ausgelacht, erheitert und keineswegs gekränkt. Und so wild wie sein Verlangen, mit ihr zu schlafen, so wild war sein Verlangen, sie zu schlagen. Sie brannte wie ein Feuer in ihm, diese Begierde nach beidem: nach Gewalt und nach Sex; nach ihren Schmerzensschreien und der Genugtuung ihrer widerwilligen Unterwerfung.
    So war es immer, wenn er eine Frau zu häufig sah. Er fühlte sich aufgerieben im Kampf zwischen Begierde und Ekel. Und immer begleitete ihn die Erinnerung an die Prügel, mit denen sein Vater seine Mutter gequält hatte, und an die Geräusche rasenden

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