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05 - Der Kardinal im Kreml

05 - Der Kardinal im Kreml

Titel: 05 - Der Kardinal im Kreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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hin zu den russischen Fahrzeugen.
Ihr ärgster Feind war die Zeit. Neunzig Minuten später erreichten sie den Stadtrand von Kabul und stießen auf den ersten einer Reihe von Kontrollposten.
Bei so vielen russischen Soldaten in seiner Nähe bekam der Bogenschütze eine Gänsehaut. Nach Sonnenuntergang zogen sich die Russen, wie er wußte, in ihre Lager und Bunker zurück und überließen die Straßen den Afghanen, aber auch die sinkende Sonne gab ihm kein Gefühl der Sicherheit. Die Kontrollen waren oberflächlicher, als er erwartet hatte, und der Major redete sich überall durch, indem er Papiere und Parolen aus dem gerade erst zerstörten Bataillons-Gefechtsstand zeigte und nannte. Entscheidender noch war, daß ihre Route die am stärksten gesicherten Teile der Stadt umging. Knapp zwei Stunden später lag Kabul hinter ihnen, und sie rollten im Schutz der Dunkelheit weiter vorwärts.
Sie fuhren, bis ihnen der Treibstoff ausging. An diesem Punkt steuerten sie ihre Fahrzeuge von der Straße, nahmen ihre schweren Warfen auf den Rücken und brachen ausgeruht auf ins Gebirge und nach Norden.
*
    Nichts wie Hiobsbotschaften heute, dachte Gerasimow, als er Oberst Watutin anstarrte. «Was soll das heißen, Sie bekommen nichts aus ihm heraus?»
    «Genosse Vorsitzender, unser medizinisches Personal ist der Auffassung, daß sowohl sensorische Deprivation als auch jede Form physischer Mißhandlung» - das Wort Folter benutzte man beim KGB nicht mehr «den Gefangenen töten könnten. Und da Sie auf einem Geständnis bestehen, müssen wir zu... primitiven Verhörmethoden greifen. Der Gefangene ist schwierig, seelisch sehr viel stärker, als wir erwartet hatten», sagte Watutin so gelassen wie möglich. Im Augenblick hätte er alles mögliche für ein Glas Wodka getan.
    «Und alles nur, weil Sie die Verhaftung versaut haben!» bemerkte Gerasimow kalt. «Ich hatte viel von Ihnen erwartet, Oberst, Sie für einen Mann mit Zukunft gehalten, geglaubt, Sie seien soweit für eine Beförderung. Habe ich mich da geirrt, Genosse Oberst?»
    «Es ist in diesem Fall ausschließlich meine Aufgabe, einen Landesverräter zu entlarven. Und das habe ich bereits getan. Wir wissen, daß er Verrat begangen hat, wir haben die Beweise -»
«Jasow wird sie nicht akzeptieren.»
    «Spionageabwehr ist Sache des KGB, nicht des Verteidigungsministeriums.»
«Dann machen Sie das doch einmal dem Generalsekretär klar», fuhr Gerasimow ihn an. «Oberst Watutin, ich brauche unbedingt Filitows Geständnis.»
Gerasimow hatte gehofft, heute einen weiteren Coup zu landen, doch eine Blitzmeldung aus Amerika hatte ihn entwertet - schlimmer noch, er hatte die Information schon weitergegeben, als er einen Tag später von ihrer Wertlosigkeit erfuhr. Agentin Livia bitte um Verzeihung, lautete die Meldung, aber die kürzlich durch Leutnant Bisjarina übersandten Daten zu den Computerprogrammen seien leider überholt.
«Watutin, ich muß das Geständnis bald haben. Bis wann können Sie es liefern?»
«Mit den Methoden, auf die wir jetzt beschränkt sind, in maximal zwei Wochen. Wir können ihm den Schlaf rauben, aber das dauert seine Zeit, besonders bei älteren Menschen, deren Schlafbedürfnis geringer ist. Er wird zunehmend desorientiert werden und dann irgendwann aufgeben. Es ist aber damit zu rechnen, daß er sich mit aller Kraft gegen uns wehren wird -, und Filitow ist ein mutiger Mann. Aber halt auch nur ein Mensch, In zwei Wochen haben wir ihn kleingekriegt», schloß Watutin.
«Na gut.» Gerasimow legte eine Pause ein. Zeit, seinem Untergebenen Mut zu machen. «Genosse Oberst, objektiv gesehen, haben Sie trotz der Enttäuschung in der letzten Phase der Ermittlung Ihre Sache recht gut gemacht. Perfektion in allen Einzelheiten wäre zuviel verlangt, und für die politischen Komplikationen können Sie nichts. Wenn Sie liefern, was ich von Ihnen erwarte, werden Sie entsprechend belohnt. Und nun machen Sie weiter.» «Vielen Dank, Genosse Vorsitzender.»
    Gerasimow wartete, bis er gegangen war, und bestellte dann seinen Wagen. Der Vorsitzende des KGB fuhr nicht allein. Sein Sil - eine handgefertigte Limousine, die an einen US-Straßenkreuzer der späten Fünfziger erinnerte - wurde von einem noch häßlicheren, mit Leibwächtern besetzten Wolga gefolgt. Gerasimow saß allein im Fond und sah die Häuser von Moskau vorbeifliegen; der Wagen raste über die Regierungsfahrzeugen vorbehaltene Mittelspur auf die Wälder vor der Stadt zu, in denen die Deutschen im Winter 1941 zum

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