05 - Der Kardinal im Kreml
dann hellwach.
«Verdammt noch mal!» Jack warf die Bilder aufs Bett und ging ins Bad. Candela hörte Wasser rauschen; dann erschien Ryan und ging an den Kühlschrank, holte eine Dose Limonade heraus und riß sie auf.
«Verzeihung, wollen Sie auch eine?» Jack wies auf den Kühlschrank.
«Nein, danke. Haben Sie die Übergabe an Golowko gestern vorgenommen?»
«Ja. Die Sitzung beginnt heute nachmittag. Ich will unseren Freund so um acht herum sprechen. Eigentlich wollte ich um halb sechs aufstehen.»
«Ich dachte, Sie wollten diese Bilder sofort sehen», sagte Candela und bekam ein Grunzen zur Antwort.
«Klar, das stellt die Morgenzeitung in den Schatten. Wir haben ihn in der Zange», stellte Ryan fest und starrte auf den Teppich. «Es sei denn -»
«Es sei denn, daß er unbedingt sterben will», stimmte der CIAOffizier zu.
«Was wird aus seiner Frau und seiner Tochter?» fragte Jack. «Wenn Sie zu diesem Thema eine Meinung haben: raus damit.»
«Findet der Treff am vorgeschlagenen Ort statt?»
«Ja.»
«Machen Sie starken Druck.» Candela nahm die Fotos vom Bett und schob sie in einen Umschlag. «Zeigen Sie ihm auf jeden Fall diese Bilder. Sein Gewissen werden sie wohl kaum belasten, ihm aber beweisen, daß wir es ernst meinen. Und was meine Meinung angeht: Anfangs hielt ich Sie für verrückt. Jetzt aber» - er grinste - «macht Ihr Plan Sinn. Ich komme wieder, wenn Sie richtig wach sind.»
Ryan nickte, wartete, bis er fort war und ging dann in die Dusche. Das Wasser war heiß, und er duschte ausgiebig, bis der Spiegel beschlagen war. Er wischte ihn ab und war beim Rasieren bemüht, auf seinen Bart und nicht in seine Augen zu schauen. Zweifel waren jetzt fehl am Platz.
Draußen war es dunkel. Moskau erwachte langsam zum Leben. Das Rattern der Straßenbahnen und das Grollen der Laster wurde von der Schneedecke gedämpft. Graue Schemen nahmen Farbe an. Um halb sieben leerte Jack seine dritte Tasse Kaffee und legte das Buch hin. Bei solchen Anlässen war das Timing entscheidend, hatte Candela gesagt. Er ging noch einmal ins Bad und zog sich dann für seinen Morgenspaziergang an.
Die Gehsteige waren geräumt, aber in der Gosse türmten sich Schneeberge. Ryan nickte den australischen, amerikanischen und russischen Wächtern zu und wandte sich dann auf der Tschaikowskogo nach Norden. Der bitterkalte Nordwind ließ seine Augen tränen, und er zog sich den Schal fester um den Hals. Er befand sich im Moskauer Botschaftsviertel und bog in die Barrikadnaja ein, blieb dicht an den Häusern, bis er das richtige erreicht hatte. Wie erwartet öffnete sich eine Tür; er trat ein. Wieder wurde er abgetastet. Der Wächter fand den verschlossenen Umschlag in der Manteltasche, öffnete ihn aber zu Ryans Überraschung nicht.
«Mitkommen.» Wie beim ersten Mal, stellte Jack fest. Vielleicht hatte der Mann einen begrenzten Wortschatz.
Gerasimow saß auf einem Platz am Mittelgang und kehrte ihm den Rücken zu. Jack näherte sich.
«Guten Morgen.»
«Nun, was halten Sie von unserem Wetter?» fragte Gerasimow, entließ mit einer Handbewegung die Wache, erhob sich und ging mit Ryan auf die Leinwand zu.
«Wo ich aufwuchs, ist es nicht so kalt.»
«Sie sollten einen Hut tragen. Die meisten Amerikaner gehen lieber ohne, aber hier sind Hüte eine Notwendigkeit.»
«In New Mexico ist es auch kalt», meinte Ryan.
«Ich weiß. Meinen Sie vielleicht, ich hätte der Sache tatenlos zugesehen?» fragte der Vorsitzende des KGB leidenschaftslos und überlegen. Ryan beschloß, ihm noch einen Augenblick lang den Spaß zu gönnen.
«Soll ich mit Ihnen über Major Gregorys Freilassung verhandeln?» fragte Jack in bemüht neutralem Tonfall.
«Wenn Sie wollen», versetzte Gerasimow.
«Das hier werden Sie bestimmt interessant finden.» Jack reichte ihm den Umschlag.
Der KGB-Vorsitzende riß ihn auf und nahm die Bilder heraus und sah sie sich an, ohne eine Reaktion zu zeigen, doch als er sich zu Ryan umwandte, war sein Blick eiskalt.
«Einer lebt noch», berichtete Ryan. «Er ist verletzt, wird aber genesen. Sein Bild liegt noch nicht vor. Ein Fehler am anderen Ende. Wir haben Gregory unverletzt zurück.»
«Ich verstehe.»
«Dann ist Ihnen wohl auch klar, daß Ihnen nur noch die von uns vorgeschlagenen Optionen bleiben. Ich mochte nun Ihre Entscheidung hören.»
«Die liegt auf der Hand, oder? Wie wird man mich behandeln?»
«Sehr gut.» Sehr viel besser, als du es verdient hast.
«Und meine Familie?»
«Das gilt auch für Ihre Familie.»
«Und wie wollen Sie
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