05 - Der Schatz im Silbersee
ich werde wählen, wer dich begleiten soll. Die Zurückbleibenden werden sich grämen; aber sie sollen dafür die vordersten an den Marterpfählen sein.“
Sie standen auf und machten einen Rundgang von Feuer zu Feuer, um die Auserwählten zu bestimmen. Bald waren dreihundert Mann beisammen und außerdem noch fünfzig zur Bewachung der Pferde, welche ja nicht ganz bis hin zu den Weißen mitgenommen werden konnten. Der ‚Große Wolf‘ erklärte diesen Leuten, um was es sich handelte, beschrieb ihnen die Situation genau und setzte ihnen dann seinen Angriffsplan auseinander. Dann stiegen die Roten auf und begannen ihren für die Weißen so verhängnisvoll sein sollenden Ritt. Die Namen Old Firehand, Old Shatterhand und Winnetou klangen in aller Ohren. Welch ein Ruhm, solche Helden gefangen und an den Marterpfahl gebracht zu haben!
Es ging genau denselben Weg zurück, den der ‚Große Wolf‘ gekommen war, doch nur bis in den Hauptcañon. Dort stieg man ab, um die Pferde unter dem Schutz der Fünfzig zurückzulassen. Bei der gegebenen Übermacht konnte das Unternehmen fast völlig gefahrlos genannt werden. Dennoch war das Gelingen nicht zu garantieren, und zwar in Rücksicht auf die Pferde. Der ‚Große Wolf‘ wußte nur zu gut, daß die Pferde der Weißen einen anschleichenden Roten leicht mit der Witterung nehmen. Bei einer Schar von dreihundert Indianern war anzunehmen, daß die Pferde die Annäherung derselben durch große Unruhe und lautes Schnauben verraten würden. Was war dagegen zu tun? Der Häuptling sprach diese Frage nicht leise für sich aus, sondern laut, so daß es die Umstehenden hörten. Da bückte sich einer derselben nieder, riß eine Pflanz aus, hielt sie ihm hin und sagte: „Hier ist ein sicheres Mittel, den Geruch irre zu führen.“
Der Häuptling erkannte die Pflanze an dem Duft derselben. Es war Salbei. Es gibt im Fernen Westen Strecken, viele Quadratmeilen groß, welche ganz mit Salbei bedeckt sind. Auch in diesem Cañon, dessen Grund die Sonne erreichen konnte, stand die Pflanze in Massen. Der Rat war gut und wurde sofort befolgt. Die Roten rieben ihre Hände und Kleider mit Salbei ein. Das gab einen so starken Duft, daß alle Hoffnung auf die Täuschung der Pferde vorhanden war. Außerdem bemerkte der ‚Große Wolf‘, daß der geringe Luftzug, welchen es gab, von abwärts heraufkam, also den Roten zu Gunsten.
Diese hatten sich in Anbetracht ihrer numerischen Überlegenheit nicht mit Schießgewehren, sondern nur mit den Messern bewaffnet. Es galt, die Weißen so zu überrumpeln und zusammenzudrücken, daß es zu gar keinem Kampf kommen konnte.
Nun wurde der Weitermarsch zu Fuß angetreten, ein Weg von drei englischen Meilen. Zunächst konnte man rüstig vorwärts schreiten; aber als zwei Meilen zurückgelegt waren, galt es, vorsichtiger zu sein.
Erst jetzt kam dem Häuptling der Gedanke, daß die Weißen aus Vorsicht ihr Lager an einem andern Ort aufgeschlagen haben könnten; er wurde durch denselben in eine fast fieberhafte Unruhe versetzt. Weiter ging es und weiter, leise und schlangengleich. Sechshundert Füße, und doch war nicht das mindeste Geräusch zu vernehmen; kein Steinchen wurde von seinem Ort bewegt, kein Zweig geknickt. Da – da blieb der voranschreitende Wolf stehen. Er sah das Wachtfeuer brennen. Es war gerade die Zeit, in welcher Old Firehand die Posten revidierte. Der Häuptling hatte am Tag gesehen, daß ein solcher ober- und ein andrer unterhalb aufgestellt worden war. Diese Wächter standen jedenfalls jetzt noch; sie waren es, welche zuerst unschädlich gemacht werden mußten.
Er gebot leise Halt und bedeutete nur zweien, ihm zu folgen. Sich auf die Erde legend, krochen sie weiter. Bald kamen sie zu dem oberen Posten; er sah Old Firehand nach, der ihn soeben verlassen hatte, und kehrte den Roten den Rücken zu. Plötzlich legten sich zwei Hände um seinen Hals und vier andere ergriffen ihn an den Armen und Beinen. Er konnte nicht atmen; die Besinnung schwand ihm, und als er wieder zu sich kam, war er gefesselt und in dem Mund steckte ein Knebel, welcher ihn am Schreien verhinderte. Neben ihm saß ein Indianer, welcher ihm die Spitze seines Messers auf die Brust gesetzt hielt. Das erkannte er, obgleich der Schein des Mondes nicht herunter auf die Sohle des Cañons drang.
Inzwischen war das Feuer verlöscht, und der Häuptling hatte abermals zwei Krieger zu sich beordert. Es galt dem unteren Posten. Man mußte also am Lager vorüber. Da dasselbe diesseits
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