05 - Der Schatz im Silbersee
reitet einige Schritte näher, so werdet Ihr die Mauer fühlen.“
Hunde bellten. Aus ihren tiefen, rauhen Stimmen ließ sich auf ihre Größe schließen. Dann ertönte eine fragende Stimme: „Wer läutet, wer will herein?“
„Ist Master Butler schon zurück?“ fragte der Jäger.
„Nein.“
„So holt den Schlüssel von der Lady und sagt, daß Old Firehand hier ist!“
„Old Firehand? Well, Sir, soll schnell besorgt werden. Die Ma'am schläft nicht, und auch jedes andre Auge ist offen. Der Osage war im Vorüberreiten hier und hat gemeldet, daß Ihr kommen werdet.“
„Was für Menschen gibt es hier!“ dachte der Lord. „Der Häuptling ist also noch viel, viel schneller geritten als wir!“
Nach einiger Zeit hörte man Befehle, durch welche die Hunde zurückgescheucht wurden; dann klirrte ein Schlüssel im Schloß, hölzerne Riegel schrien, Angeln kreischten, und nun endlich sah der Lord mehrere Laternen, deren Lichter aber die Finsternis eines grenzenlos scheinenden Hofes nur noch undurchdringlicher machte. Herbeieilende Knechte nahmen den Reitern die Pferde ab, und dann wurden die Gäste in ein hohes, finster erscheinendes Haus geführt. Eine Magd bat Old Firehand nach oben zur Ma'am zu kommen. Für die andern wurde im Parterre ein großes, rauchgeschwärztes Gemach geöffnet, von dessen Decke eine schwere Petroleumlampe herniederhing. Da standen einige Tafeln und Tische mit Bänken und Stühlen, auf denen die Männer Platz zu nehmen hatten. Auf den Tischen standen allerlei Eßwaren, Flaschen und Gläser, eine Folge davon, daß der Trupp von dem Häuptling angemeldet worden war.
Die Rafters ließen sich mit den Osagen an zwei langen Tafeln nieder und griffen sofort wacker zu. Der Westmann gibt und nimmt nicht gern unnötige Komplimente. Dabei hatte es sich wie ganz von selbst gemacht, daß die Elite der Gesellschaft an einen entfernten Tisch zu sitzen gekommen war. Dort hatte zuerst der Lord Platz genommen und den Humply-Bill und den Gunstick-Uncle neben sich gewinkt; dann war Tante Droll mit Fred Engel und dem schwarzen Tom zu ihnen gekommen, und endlich hatte sich auch Blenter, der alte Missourier, zu ihnen gemacht.
Nun ging es ans Essen und Trinken, daß es eine Art hatte. Der Lord schien der Ansicht zu sein, daß er, wenn er sich unter Wölfen befand, mit denselben heulen müsse, denn er hatte alle seine Standeswürde abgelegt und benahm sich nicht besser und nicht schlimmer als die Nachbarn, welche bei ihm saßen.
Später kam Old Firehand mit der Dame des Hauses, welche ihre Gäste auf das freundlichste willkommen hieß, herein. Sie erklärte dem Englishman, daß ein besonderes Zimmer für ihn bereitstehe, er aber verzichtete auf dasselbe und auf jeden Vorzug vor seinen Kameraden, da er jetzt nichts andres als ein Westmann sei. Dieses Verhalten erfreute die andern so, daß sie ihm ihre laute und aufrichtig gemeinte Anerkennung zuriefen. Old Firehand teilte dann mit, daß die Kameraden für heute nacht nicht in Anspruch genommen werden, sondern sich ausruhen sollten, um morgen frisch auf dem Platz sein zu können; es seien Knechte und Hirten genug da, mit deren Hilfe er die nötigen Vorbereitungen treffen werde.
Der Lord konnte den Blick nicht von ihm wenden, denn der berühmte Jäger hatte in kurzer Zeit seinen ‚zivilisierten‘ Anzug ab- und sein Jägerkostüm angelegt. Er trug ausgefranste, nur bis an die Knie reichende und an den beiden Seiten reichgestickte Leggins, deren Säume in den weit heraufgezogenen Aufschlagstiefeln steckten, eine Weste von weichem, weißgegerbtem Rehleder, eine Kurze hirschlederne Jagdjacke und darüber einen starken Rock von Büffelbauch. Um die kräftigen Lenden hatte er einen breiten Ledergürtel geschnallt, in welchem die kurzen Waffen steckten, und auf dem Kopf saß ein Biberhut mit sehr breiten Krempen und hinten herabhängendem Biberschwanz, welcher wohl weniger dazu bestimmt war, dem riesigen Mann ein abenteuerliches Aussehen zu geben, als vielmehr dazu, seinen Nacken gegen den Hieb eines hinterlistigen Feindes zu schützen. Um seinen Hals hing eine lange Kette, welche aus den Zähnen des grauen Bären bestand, und an ihr die Friedenspfeife mit einem meisterhaft geschnittenen Kopf aus dem heiligen Ton. Sämtliche Nähte des Rockes waren mit Grizzlykrallen verbrämt, und da ein Mann wie Old Firehand sicherlich nicht fremde Beute trug, so konnte man aus diesem Schmuck und der Pfeifenkette ersehen, wie viele dieser furchtbaren Tiere seiner sicheren Kugel
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