05 - Spiel der Intrigen
Angus.
Auch Rainbird war völlig
überarbeitet und er vergaß, dass Lizzie nicht nur ein Küchenmädchen, sondern
auch eine Freundin war. Ohne einen Augenblick nachzudenken, behandelte er
Lizzie, wie jeder andere Butler ein aufmüpfiges Küchenmädchen behandelt hätte.
Er packte sie an den Haaren, klemmte ihren Kopf unter den Arm, ergriff ein
Stück gelbe Seife und rieb ihren Mund damit ein.
»Es reicht mir jetzt mit dir, Miss«,
sagte er. »Mach dich wieder an die Arbeit.«
Ohne ein Wort beugte sich Lizzie
über den Ausguss. Rainbird zögerte im Türrahmen der Spülküche. Lizzies schmale
Schultern bebten vor Schluchzen.
Er schüttelte wütend den Kopf und ging
hinaus.
In dieser Nacht schlich sich Lizzie,
nachdem alle Diener zu Bett gegangen waren, weiß und angespannt in den Hof
hinaus und nahm die Büchse mit den gemeinsamen Ersparnissen aus der Erde. Dann
setzte sie den Pflasterstein wieder ein, ging zurück und versteckte die Büchse
unter ihrer Bettdecke. Sie hatte tagsüber eine hastige Besprechung mit Luke an
der Außentreppe gehabt und versprochen, ihm die Sparbüchse auszuhändigen,
wenn es ihm gelang, sich um sechs Uhr morgens vor Nummer 67 einzufinden.
An ihrem Hochzeitstag fühlte sich Emily benommen und zugleich
voller Angst. Sie hatte am Tag zuvor mit dem Earl in einer dunklen, kleinen
Kirche in einem abgelegenen Teil der City von London das Hochzeitszeremoniell
geübt. Der Hochzeitstag brach trübe und regnerisch an — ein böses Vorzeichen.
Alice, Jenny und Mrs. Middleton
betraten um neun Uhr morgens ihr Schlafzimmer, um sie hochzeitlich zu
schmücken. Es war kein traditionelles Hochzeitskleid, und nicht die geschwätzigen
Schneiderinnen von London hatten es genäht. Das Kleid war aus weißer Brüsseler
Spitze, sah aber einem Tageskleid ähnlicher als einem Hochzeitskleid. Auf dem
Kopf trug Emily statt eines Schleiers ein Krönchen aus weißen Seidenrosen und
Perlen. Emily überlegte, dass sie seit seinem Heiratsantrag keine Möglichkeit
mehr gehabt hatte, mit ihrem zukünftigen Ehemann zu sprechen. Er hatte sie
sogar nach der Generalprobe für die Hochzeit sofort mit der Begründung
verlassen, dass er noch etwas Dringendes zu erledigen habe.
Mr. Fitzgerald sollte Brautführer
sein. Es ist alles so verlogen, dachte Emily unglücklich. Sie heiratete unter
Vorspiegelung falscher Tatsachen. Die Heirat würde gültig sein, egal was
geschah, denn Emily Goodenough war ihr rechtmäßiger neuer Name. Aber wie schön
wäre es, in aller Offenheit im Kreis aller Verwandten des Earl, selbst seiner
widerwärtigen Schwester, zu heiraten, statt heimlich in eine dunkle Kirche zu
huschen.
Aber ich werde Countess sein,
ermahnte sich Emily leidenschaftlich, und das ist das einzige, was zählt.
Als Emily fertig war, verscheuchte
Mrs. Middleton Jenny und Alice mit einer Handbewegung, und die beiden verließen
das Zimmer. Mrs. Middleton zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben
Emily. Sie trug das purpurfarbene Gewand und den Turban, den sie auch als
Hofdame der »Prinzessin« aufgehabt hatte.
»Meine liebe Miss Emily«, sagte sie
zärtlich. »Ich wünschte, ich wäre mit Ihnen verwandt, dann könnte ich Sie so
beraten, wie man eine junge Dame an ihrem Hochzeitstag berät.«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Mrs.
Middleton«, sagte Emily. »Ich habe ein gutes Gedächtnis und werde während des
Gottesdienstes keine Fehler machen.«
»Hm.« Mrs. Middleton betupfte sich
den Mund mit einem seidenen Spitzentaschentuch und betrachtete die Vorhänge mit
ernstem Blick. »Ich spreche über die... hm ... delikate Seite der Hochzeit.«
»Oh.« Emily errötete. Plötzlich
wurde es ihr bewusst. Sie hatte nur daran gedacht, dass sie Countess sein
würde; weiter als bis dahin hatte sie nicht gedacht.
»Was wird denn von mir erwartet?«
fragte sie fast unhörbar.
Mrs. Middleton hatte in der Nacht
gegrübelt, welchen Rat sie ihr geben könnte. Sie war vor langer, langer Zeit
einmal Brautjungfer gewesen und hatte dabei mitbekommen, wie die Mutter die
Braut beriet, und so hatte sie den Entschluß gefaßt, dass es das beste sei,
diesen Rat an Emily weiterzugeben.
»Sie werden heute abend das Bett mit
Seiner Lordschaft teilen, Miss Emily.«
»Ja.«
»Sie dürfen nicht vergessen, dass
Sie Ihren Gatten immer lieben und achten müssen, egal was geschieht. Männer
benehmen sich oft seltsam.«
»Fahren Sie fort«, sagte Emily. »Was
soll ich tun?«
»Fest die Augen schließen und an den
König denken.«
Emily blinzelte
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