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Doktorenfreund geht.
Und jedes Mal wird die Entscheidung Euch niederschmettern, Euch schwächen - für nichts und wieder nichts."
„Das sehe ich ganz anders." Ich fühlte mich angegriffen, war dem Vampir aber gleichzeitig dankbar. Was an und für sich schon erstaunlich war. Aber Alonzo war der Erste, der mir die Gelegenheit gab, meine Gedanken zu ordnen. Und das kam - in meinem Fall - selten genug vor, als dass es nicht bemerkenswert gewesen wäre.
„Und wie seht Ihr es, meine Königin?"
Während ich sprach, griff ein Gedanke in den anderen, und mit jedem neuen Argument fühlte ich die Überzeugung in mir wachsen, dass es richtig war, was ich sagte. „Meine Freunde geben mir Kraft, sie schwächen mich nicht. Die
.Situation', in
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der ich mich befinde, ist nicht das Endresultat von was auch immer. Es ist ein Schritt, den wir auf unserer gemeinsamen Reise machen. Vielleicht stirbt sie, vielleicht überlebt sie. Aber was auch immer passieren mag, sie ist ein wesentlicher Teil meines Lebens. Was bin ich denn ohne meine Freunde?"
„Schneller, stärker, ihnen in allem überlegen", schlug er vor.
„Überlegen", murmelte ich. „Ich fürchte, das Wort mag ich nicht sehr gerne.
Vor allem wenn es von einem Vampir kommt."
„Oje." Er lächelte wissend, als er neben mir den düsteren Gartenweg entlangging. „Kein Wunder, dass Ihr mit der alten Regierung nicht ausgekommen seid."
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Wir schlüpften durch den Hintereingang ins Haus und standen eine Weile im Windfang herum. Mich drängte es in die Küche, wo ich hoffte, Jessica zu finden. Vielleicht würde sie mir ja berichten, wie die Arzttermine gelaufen waren. Und wie alles andere gelaufen war. Aus Jessica konnte man nichts herauspressen - jeder Versuch wäre sinnlos. Entweder sie erzählte es mir oder eben nicht. Aber ich wollte jetzt für eine Stimmung sorgen, die es ihr leicht machen würde, sich zu öffnen.
Mit Alonzo jedenfalls hatte ich nichts mehr zu besprechen, und ich war sicher, er ebenfalls nicht mit mir. Und Sinclair war nicht der Typ, der eine Runde Golf im Dunkeln vorschlagen würde. Eigentlich hatte ich Sinclair noch nie mit einem männlichen Freund gesehen. Soweit ich wusste, war Tina die einzige Freundin, die er hatte.
Wie dem auch sei, auch Sinclair war mit Alonzo fertig. Tina war wahrscheinlich gar nicht zu Hause - sie war für uns auf der Suche nach Jon.
Also standen wir jetzt herum wie auf einer Party, bei der der Gastgeber möchte, dass die Gäste gehen, und die Gäste wollen ebenfalls gehen, aber es ist noch zu früh, um auf die Uhr zu schauen.
„Es ist spät geworden", sagte Alonzo und sah verstohlen auf seine große silberne Armbanduhr. Gott sei Dank! Wenn ich seinen komischen Tick beobachtete, fragte ich mich normalerweise, ob vielleicht irgendwo eine Bombe lag, die darauf wartete, in die Luft zu gehen. Jetzt war ich froh darüber. „Und anders als andere
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muss ich mich vor Sonnenaufgang nähren. Mit Eurer Erlaubnis Majestät?"
„Natürlich. Äh .. Versuchen Sie, Ihre Nahrung nicht zu töten." Eigentlich sollte es ein Witz sein, aber es hatte wahrscheinlich wie ein Befehl geklungen.
Genug jetzt, ich war emotional zu erschöpft, um mich zu erklären. Sollte er es doch selbst herausfinden. „Vielen Dank für Ihren Besuch."
„Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite." Er lächelte mich an und zeigte mir, wie vergnügt er war. „Ich habe gewartet und gewartet, dass das Telefon endlich klingelte. Und jetzt gehe ich zurück und werde wieder warten."
„Hmpf." Ich war zu achtundneunzig Prozent sicher, dass er sich über mich lustig machte, aber er hatte genug Arroganz in der Stimme, um mir die Antwort leicht zu machen: „Danke, dass Sie gekommen sind."
Er ging. Ich horchte, aber ganz gegen seine Gewohnheit sprang Sinclair nicht plötzlich aus dem Schatten. Und es fuhr auch niemand in der Einfahrt vor.
Tina stand in dem kleinen Flur vor der Küche und wartete nur darauf, mir eine Tasse Tee servieren zu dürfen. Wahrscheinlich hatte sie es für heute Nacht aufgegeben, nach Jon zu suchen.
Ich hängte meinen Mantel in die Garderobe, streifte meine Stiefel ab und machte mich auf den Weg in die Küche.
Dort fand ich auch Sinclair, zusammen mit Marc und Jessica. Er las in Die Kunst des Krieges von Sun Tsu, die Ärmel hochgekrempelt, barfuß. Entspannt wie immer.
Nicht dass ich ihn an meinem Hals gewollt hätte, aber trotzdem ...
„Solltest du nicht atemlos vor Spannung darauf warten, dass ich von meinem Spaziergang mit
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