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den Äff-, äh, den Menschen erzählen, du seist ein Werwolf!"
„Warum nicht?"
„Weil du das nicht so einfach tun kannst, deswegen!"
Antonia zuckte mit den Schultern. „Wem willst du denn davon erzählen? Wer würde dir das glauben?"
Bev stellte sich vor, wie sie erklärte, dass sie nicht gesprungen sei, weil eine Frau, die behauptete, ein Werwolf zu sein, ihr die Zukunft vorhergesagt hatte, und sah ein, dass Antonia recht hatte.
„Mir würde das auch keiner glauben", sagte Antonia, als wolle sie - auch wenn der Gedanke lächerlich war - Bev trösten. „Warum?"
„Ich wandle mich nicht."
„Du meinst, du .. " Bev gestikulierte wild, auf der Suche nach 121
den richtigen Worten. „Du bekommst kein Fell und heulst nicht den Mond an und stiehlst keine Babys?"
„Babys? Etwa Affenbabys? Bah! Weißt du eigentlich, wie grauenhaft ihr schmeckt? Ich würde lieber vergammeltes Brot voller Maden als einen Allesfresser essen."
Bev hasste zwar ihren Job als Sozialarbeiterin, aber nun kamen ihr die langjährigen Erfahrungen sehr gelegen. Es war eine gewisse Logik in Antonias Ausbrüchen zu erkennen. Je lauter und bissiger sie wurde, desto schmerzhafter schien das Thema zu sein.
Sie startete einen erneuten Versuch. „Du wandelst dich also nie in einen Werwolf, habe ich das richtig verstanden? Niemals -und trotzdem bist du einer."
Antonia presste die Lippen so fest aufeinander, dass sie kaum noch zu sehen waren. „Ja", brummelte sie. „So istssss."
„Aber dann . . woher weißt du, dass du ein -"
„Weil meine Mutter ein Werwolf ist, verstanden? Und ihre Mutter und ihre Mutter und ihre Mutter, bis zurück in die achtzigste Generation, verstanden?
Ich bin ein direkter Nachkomme der Wölfin Rayet, und dass mein Vater ein Affe ist, ändert daran gar nichts. Ich bin ein echter Werwolf, jawohl, jawohl, jawohl!" Antonia schlug wie zur Bestätigung ihrer Aussage mit der Faust auf die Brüstung.
„Ist ja schon gut", versuchte sie die jüngere Frau zu beruhigen. „Das hat doch keiner bestritten, oder?"
„Du hast es bestritten", schniefte Antonia.
„Nein, ich habe lediglich gefragt, ob es vernünftig ist, jeden Affen sofort darüber aufzuklären. Mist! Jetzt hast du mich dazu gebracht, dieses abscheuliche Wort auch zu benutzen."
„Tut mir leid", sagte Antonia, wobei es so schien, als würde sich ihre Laune bessern. „Das ist mein wunder Punkt, das gebe ich zu. In meinem Rudel gibt es viele Mischlinge, sogar mein Leitwolf
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hat einen gezeugt, um Rayets willen. Alle können sich wandeln. Nur ich nicht.
Und Affen."
„Haben deine Freunde dich aus dem Rudel verbannt, äh, ich meine, haben sie dich gebeten zu gehen? Weil du es nicht schaffst, dich zu, äh, wandeln?"
„Du meinst, mein Rudel hat mir einen Tritt in den Hintern gegeben, weil ich ein Freak bin?" Sie lächelte gequält. „Nein. Ich bin hierher in den Westen gekommen, weil ich etwas gesehen habe."
„Mich?", fragte Bev eifrig.
„Nein, nicht dich, gieriger Affe. Die Welt dreht sich nicht nur um dich. Zu dir habe ich nur einen Abstecher gemacht. Um dir zu helfen. Eigentlich will ich nach Minnesota."
„Was willst du denn in Minnesota?"
„Das reicht. Für heute habe ich genug mit Fremden gequatscht", sagte Antonia bemerkenswert freundlich. „Wenn wir doch jetzt beide wissen, dass du nicht springen wirst, warum kommst du nicht einfach runter von diesem Dach?"
„T)as tue ich erst, wenn du mir gesagt hast, warum wir nach Minnesota reisen."
„Wir?"
„Na klar! Ich werde dein cooler Partner sein. Wir erleben Abenteuer und -"
„Stopp. Los, spring."
„Ach, komm schon, Antonia", quengelte Bev. „Das ist genau das, was ich brauche."
„Und das Letzte, was ich brauche. Und ich diskutiere nicht mit Affen auf Chicagoer Dächern, verstanden?"
„Okay, okay, schon gut. Sag mir nur, warum du dorthin willst, und ich komm runter von dem Dach. Denn wenn du gehst, wirst du dir nicht sicher sein können, ob ich gesprungen bin oder nicht."
„Das würdest du nicht..."
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„Stell dir vor, du kümmerst dich einfach um deine eigenen Angelegenheiten
..."
„Das hätte ich schon heute Morgen machen sollen, bei Rayet!"
„ .. und dann, plötzlich, zack! Eine gigantische Killermigräne. Nur weil du nicht geblieben bist, um mit mir weiterzureden." Nachdenklich schüttelte Bev den Kopf. „Tsss, tsss."
Antonia starrte sie böse an. Bev strich sich die rotblonden Ponyfransen aus den Augen, um zu sehen, ob die Frau die Flucht über Dächer antreten
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