050 - Das Kind der Hexe
schadenfroh. Durch den senkrechten Schacht erreichten sie wieder einen Keller.
»So, Dorian«, sagte Hewitt blubbernd, während er mit seinen langen tentakelartigen Armen den Schachtdeckel über die Öffnung schob. »Jetzt werden wir einmal Licht machen.«
Wenig später entzündete Hewitt ein Streichholz und mit diesem eine Fackel, die er in einen Mauerriss klemmte.
»Schau dich nur um. Es wird das Letzte sein, was du in deinem Leben siehst, Dämonenkiller«, sagte Hewitt hasserfüllt. »Das hier ist mein Unterschlupf. Ich habe ihn in eine Todeskammer umgebaut. Eine Todeskammer für dich, Dorian.«
Dorian erblickte zwischen Bergen von Gerümpel auch eine Art Guillotine. Hewitt musste sie selbst gebastelt haben, denn sie wirkte einfach und improvisiert. Aber Dorian zweifelte nicht daran, dass das scharfe Messer in den Führungsschienen seinen Zweck erfüllen würde.
»Von hier gibt es kein Entrinnen, Dorian«, fuhr Hewitt fort. »Ich sehe, du bist beeindruckt. Ich habe mich zu diesem Schritt entschlossen, weil ich die Hoffnung aufgegeben habe, dass du mir jemals helfen wirst. Du weidest dich an meinen Schmerzen. Aber wenn ich schon nicht den Tod finden kann, dann sollst du wenigstens sterben.«
»Du bluffst nur, Hewitt«, sagte Dorian ohne Überzeugung.
»Ach, glaubst du?« Hewitt näherte sich Dorian drohend, so dass dieser zur Guillotine zurückweichen musste. »Dann will ich dir noch mehr verraten. Ich habe lange Zeit gehabt, um alles vorzubereiten. Es durfte nichts schief gehen, wenn ich den Plan ausführen wollte. Zuerst habe ich Lilian getötet und den Verdacht auf dich gelenkt. Und als du dich mit Cohen telefonisch in Verbindung gesetzt hast, genügte eine kleine Beschwörung, um euch in die Follow Street zu locken.«
Dorian betrachtete den Freak mit den Eiterbeulen und Geschwüren ungläubig. »Du willst auch Lilian auf dem Gewissen haben?«
»Ich habe sie wie Cohen massakriert«, bestätigte Jerome Hewitt mit undeutlicher Stimme. Seine Schmerzen mussten wieder so überhandgenommen haben, dass er fast um den Verstand kam. »Und jetzt, Dorian – jetzt bist du an der Reihe.«
Hewitt stieß sich mit einem Aufschrei vom Boden ab und sprang nach vorn. Aber Dorian hatte den Angriff erwartet und war ausgewichen. Der Dämonenkiller hatte sich während des Gesprächs umgesehen und dabei einen Benzinkanister entdeckt. Auf diesen stürzte er sich jetzt. Der Verschluss war abgeschraubt, und als er den Kanister in die Höhe hob, hörte er das Gluckern der Flüssigkeit und wusste, dass er halbvoll war.
Hoffentlich enthielt er auch wirklich Benzin! Dorian dachte in diesem Moment nicht so sehr an Selbstverteidigung als an Rache für Lilian und Marvin. Als sich Hewitt erneut mit einem animalischen Schrei auf ihn stürzte, schleuderte er ihm den Benzinkanister entgegen. Er traf ihn damit voll ins Gesicht, und das Benzin ergoss sich auf Hewitt. Dadurch gewann Dorian genügend Zeit, um die Fackel an sich zu reißen. Durch den Schmerz, den ihm das Benzin auf seinen offenen Wunden bereitete, wurde Hewitt blind vor Wut. Er schien es nicht einmal zu merken, als ihn Dorian mit der Fackel traf. Augenblicklich stand der Freak lichterloh in Flammen. Und während er als lebende Fackel dastand, tat er etwas Seltsames – er begann zu lachen. Er drehte sich im Kreise, als vollführe er einen Freudentanz, und er rief triumphierend: »Ich habe dich doch überlistet, Dämonenkiller.«
Da erkannte Dorian die Wahrheit, und er war erschüttert. Hewitt war gar nicht der Mörder. Er hatte das alles nur inszeniert, um von seinen Qualen zu erlöst zu werden. Er hatte sogar das Benzin bereitgestellt. Dorian wandte sich ab und flüchtete aus dem Keller.
Als er ins Freie trat, fand er sich in der Dryden Street wieder. Es war bereits heller Tag. Der 27. Oktober! Es war Zeit, sich auf den Weg zur Familie Hampton machen, wo Coco wahrscheinlich bereits auf ihn wartete.
Schmerz und Glück und Wonne lagen so dicht beieinander. Und es gab so etwas wie Wonneschmerz – das Wonnegefühl, das man empfand, wenn der Schmerz abklang.
Coco hatte dieses Gefühl kennen gelernt.
Als sie mit dem Mini-Cooper, den Trevor Sullivan steuerte, das Tor der Webber-Klinik passierte, versuchte sie, mit ihrem Kind in Gedankenkontakt zu treten.
Liebes, wie fühlst du dich? , rief sie.
Frei, so frei – behütet und sicher. Und mir ist so warm!
Coco lächelte gerührt. Gleichgültig, was nun kam, Hauptsache, ihr Kind fühlte sich wohl. Es wird alles gut, Liebes ,
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