050 - Monsterburg Höllenstein
Entweder Sie oder Ellen… nur einer gönnt er sie. Von
Teilung ist nicht die Rede…«
Was weiter aus dem Text
herauskam, war ungeheuerlich und für Jessica Paine in höchstem Maß unglaublich.
Anthony Harper hatte Ellen Maroth gefunden. »Sie lebt in Bensalem, das ist ein
kleiner Ort bei Philadelphia. Beide Briefe aus meiner Kanzlei wurden gestern
Nachmittag auf dem Postamt aufgegeben. Ihr Vorteil, Jessica, ist in diesem
Moment einzig und allein die Tatsache, daß Sie in Chicago wohnen und zufällig
ich von Paine auserwählt wurde, die Dinge zu regeln. Ebenso gut hätte es ein
Anwalt in New York oder Los Angeles oder Philadelphia sein können… Da steckt
man nicht drin. Das Schicksal meint es im Moment gut mit Ihnen. Ob es ein
Dauererfolg wird, liegt bei Ihnen.«
»Das ist das
verrückteste Testament, von dem ich je gehört habe.«
»Dann paßt es genau zu
Ihrem Onkel, den Sie selbst Crazy Joe nennen.«
»So hat mein Vater ihn
immer bezeichnet. Als ich noch ein kleines Mädchen war, ist dieser Name hin und
wieder gefallen. Aber ich weiß nichts über den Bruder meines Vaters. Ich wußte
überhaupt nicht, daß er noch lebt. Er müßte einige Jahre älter sein.«
»William Joe Paine starb
im Alter von achtundsechzig Jahren. Das liegt nunmehr vier Jahre zurück.«
»Und erst jetzt teilen
Sie mir mit, daß dieses Testament existiert und…«
»Ich bin eine
Verpflichtung eingegangen«, diesmal war es Harper, der ihr ins Wort fiel. »Erst
mußte ich den Aufenthaltsort Ellen Maroths ausfindig machen. Auch sie hat ein
Recht auf eine reelle Chance. Ich habe hier einen Briefumschlag für Sie, Miß
Jessica, den Sie bitte in meiner Anwesenheit öffnen möchten. Er enthält eine
persönliche Botschaft Ihres Onkels.« Harper reichte das verschlossene Kuvert
über den Tisch. Es war nicht mehr ganz glatt, leicht zerknittert. Das Papier
war nachgegilbt. Der Brief lag schon lange hier. Jessica öffnete ihn. Ein
eigenartiges Gefühl befiel sie, als sie daran denken mußte, daß sie von einem
Menschen eine Nachricht erhielt, den sie nie persönlich kennengelernt hatte, an
den sie nie einen Gedanken verschwendete, der nun schon seit vier Jahren tot
war und ihr ein Vermögen hinterließ, wie es manchmal ihr Traum war.
Im Umschlag lag ein
Bild, das William Joe Paine in seinem letzten Lebensjahr zeigte. Er war ein
stattlicher Mann, groß, breitschultrig, von kräftigem Wuchs. Es haftete ihm
etwas Athletisches an. Trotz seiner eisgrauen Haare wirkte er gesund und
jugendlich. Paine hatte ein energisches Kinn, eine leicht gebogene Nase und
buschige Augenbrauen, die seinem Blick etwas Durchdringendes und Finsteres
verliehen. »Er sieht kerngesund aus. Woran ist er gestorben?« Harper zuckte die
Achseln. »Keine Ahnung…« In dem Umschlag lag ein Brief, der außer ihrem Namen
die vollständige Adresse der Burg in Deutschland enthielt, die sie erben sollte. »Wenn
es Ihnen gelingt, als erste dort aufzutauchen und gewissermaßen Besitz von der
Burg zu ergreifen«, machte der Anwalt sich bemerkbar, als hätte er in diesem
Augenblick ihre Gedanken erraten. Noch während er sprach, griff er in die
Schublade und nahm einen weiteren Umschlag heraus. Er enthielt deutlich
sichtbar einen schweren Gegenstand. »Der Schlüssel. Er paßt zum Hauptportal.
Damit erhalten Sie Schlüsselgewalt.«
Jessica nahm auch den
Schlüssel entgegen. Sie fuhr sich durch das Haar. Ihre Stirn war in
nachdenkliche Falten gelegt. Die junge Frau glaubte noch immer zu träumen und
konnte das alles nicht fassen. »Aber wie soll ich nach Deutschland kommen?«
hörte sie sich fragen. »Mein Beruf… meine Verpflichtungen…«
»Wenn es um eine Million
Dollar geht, wüßte ich schon, wie ich es anstellen würde«, warf Anthony Harper
ein und nahm einen kräftigen Schluck aus seiner Kaffeetasse . »Das
Hinkommen ist noch das geringste«, sinnierte sie vor sich hin. »Aber was mache
ich, wenn ich dort bin? Das Hotel und die Burg werden doch noch immer
bewirtschaftet, nicht wahr?«
»Ja. Die Geschäfte
werden kommissarisch von einem gewissen Walter Demare geleitet. Er ist über
alles unterrichtet. Er wird Sie als Herrin auf Burg Höllenstein begrüßen… oder
Ellen Maroth, sollte sie früher dort sein…« Ellen Maroth…
Dieser Name traf sie wie
ein Peitschenschlag, und blitzartig wurde ihr bewußt, was für sie auf dem Spiel
stand. Bensalem lag weit. Ellen Maroth aber war möglicherweise durch Anthony
Harpers Brief ebenfalls neugierig geworden und hatte sich
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