0500 - Die Quelle des Lebens
ich vielleicht mal in die Welt gesetzt haben sollte, auf die Idee käme, zusätzlich zu den seinerzeit gezahlten Alimenten und Abfindungen einen Teil des Gesamterbes zu beanspruchen, muß er scheitern.«
»Wie - Gerret an der Quelle des Lebens?«
Saris’ Kopf flog herum. »Du erinnerst dich wieder?«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Nur an Fragmente. Wir waren beide an der Quelle, er und ich. Diese Nacht habe ich wieder davon geträumt, daß er mich töten wollte. Und irgendwie habe ich das Gefühl, daß etwas nicht stimmt. Daß nur einer von uns die Quelle lebend wieder hätte verlassen dürfen. Aber offenbar leben wir noch beide.«
»Es war deine Entscheidung«, sagte Saris leise. »Er hätte dich ganz bestimmt nicht verschont. Du bist manchmal zu menschlich, Zamorra, zu human. Das rächt sich.«
»Aus dir spricht das Mittelalter, Bryont.«
»Aus mir spricht das Überleben. Ich habe damals versucht, für dich zu tun, was ich konnte. Bis jetzt hat der Bann gehalten, aber er hält nicht über meinen ›Tod‹ hinaus. Jetzt mußt du selbst zusehen, wie du damit fertig wirst. Wenn du nicht aufpaßt, wird er dich töten. Und dann - übernimmt er deine Langlebigkeit. Übrigens völlig zu recht. Denn es kann in jeder Epoche nur einen geben, der die Macht der Quelle nutzen darf. Frage mich nicht, warum das so ist - ich kann es dir heute ebensowenig erklären, wie ich es damals konnte. Wir müssen es hinnehmen.«
»Du hast gestern schon Andeutungen gemacht. Würde es dir viel ausmachen, etwas deutlicher zu werden, ehe du dazu nicht mehr in der Lage bist?«
Saris seufzte.
»Ich lebe seit Jahrzehntausenden in verschiedenen Gestalten«, sagte er. »Für diese Gabe oder diesen Fluch ist mir eine Verpflichtung auferlegt. In jeder meiner Inkarnationen muß ich einem Menschen den Weg zur Quelle des Lebens zeigen. Tue ich das nicht, oder kann ich es nicht, weil ich den Auserwählten aus irgendwelchen Gründen nicht finde, so erlischt meine eigene Unsterblichkeit.«
»Den Auserwählten …«, murmelte Zamorra.
»Unterbrich mich nicht«, verlangte der Llewellyn. »Es ist eine logische Folge. In jeder Phase werde ich um ein Jahr älter als in der vorherigen. Das bedeutet, daß sich pro Jahrtausend die Anzahl der Auserwählten verringert, die ich zur Quelle zu führen verpflichtet bin. Das macht aber nichts, weil ja die Auserwählten ein sehr, sehr langes Leben vor sich haben. Irgendwie wird für eine Art Ausgleich gesorgt. Jeder muß sich einer Prüfung unterziehen. Nicht jeder besteht sie. Das ist aber dann nicht mehr mein Problem. Wenn der Prüfling die Quelle erreicht hat und sich der Aufgabe stellt, ist meine Pflicht erfüllt. Ob er die Langlebigkeit erringt oder nicht, ist dann nicht mehr meine Sache. Diese Langlebigkeit bedeutet auch nicht, daß jeder, der sie erwirbt, wirklich bis ans Ende aller Zeiten leben wird. Viele sterben früh. Viele sogar vor Ablauf ihrer eigentlichen Lebenszeit. Denn mit der Langlebigkeit übernehmen sie zugleich ihrerseits Verpflichtungen. Zamorra, hast du dir nie überlegt, ob du als Hochschullehrer ein viel geruhsameres Leben führen könntest, statt überall in der Welt herumzurasen, durch andere Dimensionen zu reisen und jeden Tag mit einem Bein im Grab zu stehen?«
»Du meinst, die Quelle … ? Das ist absurd, Bryont. Ich war schon vorher als Dämonenjäger aktiv.«
»Es ist eine Berufung, kein Beruf«, sagte Saris. »Außerdem gehörst du zu den Menschen, die die Veranlagung zum langen Leben in ihren Genen tragen. Auch ohne die Quelle hättest du theoretisch ein Alter von hundertzehn, hundertzwanzig oder mehr Jahren erreichen können. Der biblische Abraham wurde etwa achthundert Jahre alt, wenn ich das Buch richtig gelesen habe, Opa Methusalem über tausend. Verbessere mich, wenn ich falsch liege; mein Gedächtnis läßt in diesen Tagen zu wünschen übrig und sonderlich bibelfest war ich leider auch nie. Jedenfalls bin ich in der Lage, diese Veranlagungen in den Menschen zu erkennen. Das ist ein Teil der Llewellyn-Magie. Ich habe die Anlagen in dir - und auch in deiner Gefährtin - erkannt, aber ich erkannte auch, daß du und nicht sie der Auserwählte warst. Also habe ich dich zur Quelle geführt. Es war für mich beruhigend. Ich konnte meiner Pflicht nachkommen, nur zwölf Jahre vor Ablauf dieser Phase. Kannst du dir vorstellen, was für ein Schock es für mich war, als du fragtest, ob du diese ›Ehre‹ ablehnen könntest? Erinnerst du dich?«
Zamorra zuckte mit den
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