0502 - Die Disco-Hexe Tessy
es Kontakt mit dem Boden bekam und bei jedem Auftreffen ein Zischen ertönte, als hätte jemand Wasser auf eine heiße Platte gespritzt.
Es blieb nicht allein beim Zischen, denn Nebel wölkte in die Höhe.
Ein dünner Rauch, der einen Geruch abgab, wie ich ihn kannte.
Nach Schwefel stank es, der Atem der Hölle wehte uns entgegen.
Tessy hatte nicht gelogen, ihr Blut sorgte für eine Öffnung in die andere Dimension.
»Jetzt ist es nicht mehr verschlossen!« raunte sie mir im Verschwörerton zu. »Wolltest du nicht hinein und den Jungen holen? Bitte!«
Sie funkelte mich an. »Steig in den Sarg, Sinclair, und fahr langsam der Hölle entgegen…«
Ich zögerte noch.
Sie schaute auf ihren Arm. Die Wunde blutete nicht mehr. »Fürchtest du dich? Hast du Angst vor der eigenen Courage?«
»Bestimmt nicht.«
»Dann geh!«
»Und du?« fragte ich. »Willst du bleiben?«
»Ich werde dich schon verfolgen. Rette ein Menschenleben, du Held. In die Hölle mit dir.« In ihren Augen tanzten Funken. Die Lippen zuckten. Sie stand dicht vor der Entscheidung.
Ich blieb cool. Noch hatte ich meinen größten Trumpf zurückgehalten, aber sie sollte sich wundern.
»Ja, ich werde dir den Gefallen tun und dem Satan einen Besuch abstatten, aber ich nehme etwas mit.«
Sie wurde mißtrauisch. »Was denn?«
»Kennst du das?« Ich griff an meinen Nacken und bekam dort die schmale Silberkette zu fassen. Mit einem Ruck zog ich das Kreuz hervor und hielt es ihr entgegen.
Tessy Lamar, die Disco-Hexe, erstarrte. Ihre Augen lebten vom Staunen und auch vom Widerwillen. Es war ihr deutlich anzusehen, daß ihr der Anblick des Kreuzes körperliches Unbehagen bereitete, als wäre sie selbst ein Dämon.
»Nun?« fragte ich leise.
Sie spreizte eine Hand und bewegte sie kreisend hin und her.
»Nimm es weg!« sagte sie dabei. Ihre Stimme klang wie ein starkes Knurren, so tief drang sie aus der Kehle. »Nimm es weg. Ich hasse es. Ich hasse seinen Anblick.«
»Es bleibt!« Aus meiner Faust schaute das Kreuz hervor. Es war die Antwort auf die Hölle. Bisher hatte es immer mehr Kraft besessen als die Mächtigen der Finsternis. Auch diesmal kämpfte es gegen die latent vorhandene Magie an.
Ich spürte an meiner Haut eine Erwärmung. Mein Talisman merkte genau, daß sich hier das Böse verteilt hatte. Es war aus der Quelle gestiegen, in die ich hineinwollte.
»Damit werde ich gehen!« erklärte ich und drehte mich zum Sarg hin.
In diesem Augenblick verlor Tessy Lamar die Fassung. Sie sprang mich an wie ein gereizter Tiger…
***
»Junge!« Der Schrei des Vaters zitterte durch den Raum. Mike Fox wollte sich auf die Erscheinung stürzen und sie umarmen, als wäre sie ein Mensch, aber Suko riß ihn hart zurück. Er taumelte zur Seite und wäre fast noch über einen kleinen Tisch gestolpert.
»Nicht, nicht anfassen!«
Fox schüttelte den Kopf. »Ich will ihn erlösen. Ich will ihn aus dieser verdammten Lage befreien. Ich…«
»Aber nicht so!«
»Wie denn?«
»Das weiß ich nicht. Er ist gekommen, um uns eine Botschaft zu überbringen.«
»Ich kann es nicht glauben!«
Suko baute sich neben Mike Fox auf. Er wollte darauf achten, daß dieser Mann nicht noch einmal durchdrehte.
Fox atmete schwer. Seine Augen waren blutunterlaufen. Zu stark hatte ihn dieser Anblick geschockt. Auf der Stirn perlte Schweiß.
Sein Körper zitterte. Blässe und Gänsehaut wechselten sich ab.
»Ruhig!« Suko redete auf den Mann ein wie auf ein kleines Kind.
»Bleiben Sie ganz ruhig.«
Mike wollte etwas erwidern. Aus seinem Mund drang nur ein heiseres Ächzen. Statt dessen deutete er auf den Geist seines Sohnes.
Der Plasmakörper blieb nie ruhig. Er besaß noch Kontakt zum Mund des Mädchens. In einer geschwungenen Linie war er aus ihm hervorgedrungen und schien an der Unterlippe festzuhängen.
Sein Oberkörper war normal, allerdings nur bis zur Hälfte. Was dann folgte, war kaum getrennt. Die Beine hingen ineinander über.
Sie bildeten eine längliche, in der Luft hängende, feinstoffliche schiefe Ebene.
Im Gesicht waren die Züge zu erkennen, wenn auch von einer gespensti- schen Bleichheit überlagert. Man sah keine Knochen, aber sehr genau die Nase, die Augenhöhlen, auch den Mund, der einen breiten Strich bildete.
»Was können wir denn tun?« fragte Mike verzweifelt. »Verdammt, Suko, so reden Sie doch.«
»Wir unternehmen nichts!«
»Und weshalb nicht?«
»Weil er uns etwas mitteilen will. Er hat eine Botschaft für uns!«
»Er kann nicht
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