0503 - Der Stierdämon
nicht abgeschlossen.
Roy Thurso hatte es nicht so einfach. Er hatte seiner Elly versprechen müssen, nur bis zur Sperrstunde plus ein Bier in Ulluquarts Schnapsbude zu verweilen. Und das, obgleich McCloud versprochen hatte, heute das ganze Lokal freizuhalten!
Inzwischen hatte Roy Thurso sein Limit bereits kräftig überzogen. Er schmeckte schon das dritte Bier nach der offiziellen Sperrstunde ab. Schließlich brauchte er ja nicht zu bezahlen. Daß er morgen früh wieder aus den Federn und zur Arbeit mußte, diese Gedächtnismarkierung hatte der Alkoholpegel in ihm längst überflutet. Und er konnte sich ja auch darauf verlassen, daß Elly, diese liebenswerte treue Seele, ihn trotz ihrer Ankündigung, sich um nichts zu kümmern, notfalls mit Gewalt aus dem Schlaf reißen würde.
Doch da war noch etwas anderes in ihm, was der Alkohol nicht so recht zum Tragen kommen ließ.
Er war Ssacahs Diener.
Auch Elly war sicher schon Ssacahs Diener, wie es McCloud und die anderen waren. Auch Keith Ulluquart hatte es mittlerweile längst erwischt. Niemand, der sich im Laufe des Abends einmal im Pub aufgehalten hatte, nachdem die silberhaarige Schönheit aufgetaucht und leider viel zu schnell wieder verschwunden war, war noch nicht infiziert worden. Inzwischen gab es fast zwei Dutzend neue Ssacah-Anhänger in Cluanie und ebenso viele Ssacah-Ableger, die ständig neue Opfer beißen und somit infizieren konnten.
Thurso stellte fest, daß das Biervolumen in seinem Glas stetig abnahm. So ganz langsam dämmerte ihm, daß er morgen früh nicht nur aufstehen, sondern auch etliche Kilometer bis zur Arbeit fahren mußte. Ihm dämmerte auch, schon mal was von Restalkohol gehört zu haben. Vielleicht war es doch besser, der Sache ein seelenschmerzvolles Ende zu bereiten. »Einen Abschiedswhisky noch, Keith, und dann kann unser edler Gastgeber aufatmen. McCloud, wie willst du den Rest des Monats überleben? Du hast doch durch deine Freigebigkeit heute garantiert dein komplettes Monatsgehalt verpulvert?«
McCloud rülpste versonnen. »Macht ihr tschwei euch da-hicks-über mal ckei-keine Ge-hicks-danken«, nuschelte er. »Ich scha-schaffe daschon. Schlieschisch bin ich Beamter. Ich ck-kriege überall Ke-kredit! Hupps!« Er bekräftigte seinen Aussage mit einer weiteren Zwangsentlüftung seines inneren Alk-Depots. »Schach mal, Thurscho, wie-hicks-wiescho müschen eigent-hicks so viele Wörter mit ›k‹ anfangen? Daschtolpert doch die Tschunge drüber.«
»Ich kenne da ein tolles Wort ohne ›k‹«, versicherte Thurso, schob das leere Bierglas weg und nahm seinen Abschiedsdrink.
»Laß hören«, murmelte McCloud.
»Allohol«, ächzte Thurso, trank aus und steuerte die Tür an. Augenblicke später war er draußen. »Igitt«, murmelte er. »Ich wollte doch nur von innen naß werden, nicht von außen! Verflixt, wir haben Sommer! Wieso muß es ausgerechnet jetzt regnen, noch dazu, wenn ich nach Hause will?«
Das war doch eine ganz persönlich gegen ihn gerichtete Gemeinheit des Wettergottes!
Aber es half nichts; da mußte er brummig durch. Er hatte den Weg noch nicht halb hinter sich gebracht, als jemand aus der verregneten Düsternis vor ihm auftauchte. War das nicht der Verrückte, den der Laird in Caer Spook einquartiert hatte? Dieser komische, vor einem halben Jahr von Zamorra eingeschleppte Kauz, der angeblich aus der Vergangenheit stammte und vor dreihundert Jahren gelebt haben sollte?
Was machte denn der ausgerechnet jetzt hier?
Thurso, allein durch den Regen und den damit verbundenen Verdruß schon wesentlich ernüchtert, hob die Hand. »Sir, was tun Sie…?«
Er kam nicht dazu, die Frage zu Ende zu stellen.
Wortlos griff der Vampir an, riß Thurso mit Bärenkräften zu sich heran und biß zu.
***
Zamorra spürte den Regen nicht, der ihn völlig durchnäßte. Er wußte nicht, wieviele Minuten vergangen waren, bis er sich endlich wieder zu dem monströsen Goldstück umwandte und feststellte, daß die Innenbeleuchtung des Rolls-Royce immer noch brannte.
Das war nicht möglich.
Wie gut oder wie schlecht die elektrische Leitfähigkeit von Gold war, wußte er nicht, weil er sich dafür noch nie in seinem Leben interessiert hatte. Vielleicht hatte er es einmal in der Schule gelernt, aber dann schnell wieder zugunsten wichtigerer Dinge verdrängt. Aber das war auch gar nicht das Ausschlaggebende. Erstaunlich war vielmehr, daß überhaupt Licht brannte.
Es bedeutete, daß nicht alles im Rolls-Royce zu Gold geworden sein
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