0503 - Der Stierdämon
ich bei diesem Zauber auch noch etwas anderes ausgelöst, das ich erst herausrechnen muß. Zweitens warst du so leichtsinnig, die pferdelose Droschke mit deiner Gespielin von ihrem Platz zu entfernen. Das alles beeinflußt die Magie.« Er sprang auf und fuchtelte wild mit den Händen. »Was glaubst du denn, großer Freund, weshalb es für mich so schwierig ist, den Rückweg in unsere eigene Zeit zu finden? Ein Dämon hatte bei unserer ersten Zeitreise seine Hände im Spiel, der jetzt nicht mehr existiert, und außerdem verstreicht immer mehr Zeit! Auch der Faktor Zeit muß berücksichtigt werden! Es ist alles viel komplizierter, als du es dir vorstellst, begreifst du das nicht? Dann muß ich dich wirklich einen Narren schelten, großer Freund!«
So, wie der Gnom es vorbrachte, klang das durchaus vernünftig; zumindest konnte Zamorra ihm nicht so leicht widersprechen. Mit Magie in Form von Umkehrzaubern hatte er bislang kaum zu tun gehabt, eher mit dämonischen Beschwörungen und deren Abwehr. Es mochte darüber hinaus durchaus zutreffen, daß Kräfte und Befähigungen von Zauberer zu Zauberer verschieden waren. Nun, der Gnom mußte sich und sein Können ja am besten einschätzen können.
»Was ist das andere, das du erst herausrechnen mußt?« erkundigte Zamorra sich mißtrauisch. »Etwa dieses Stierschädelskelett?«
Der Gnom nickte. »Du hast es erfaßt, großer Freund. Es lag alles in einem großen Zauber.«
»Könntest du die Güte aufbringen, mich nicht in jedem Satz mit ›großer Freund‹ anzureden?« brummte Zamorra verdrossen. »Das tötet mir den Nerv. Daß ich Zamorra heiße, wird dir ja wohl nicht entgangen sein.«
»Wie du es wünscht, großer Zamorra«, erwiderte der Gnom, lehnte sich zurück und strich sich über den wohlgefüllten Bauch. »Allmählich komme ich wieder zu Kräften«, gestand er. »So werde ich mich nun um den Umkehrzauber kümmern können.«
»Was ist mit diesem Stierwesen? Wie hast du diese Illusionen erzeugt? Und wie konnte der Stier sich selbständig machen? Immerhin hat er gemordet, mein Bester.«
»Das ist etwas, das ich noch ausrechnen muß«, erwiderte der Gnom unbehaglich. »Da scheint mir wahrhaftig etwas ausgerutscht zu sein. Ich wollte dem Spitzel eigentlich nur ein Trugbild zeigen. Dieser Skelettstier… er entsprang nicht meinem Denken. Da ist etwas dazwischengekommen.«
»Na, großartig«, murmelte Zamorra. Mittlerweile konnte dieses unheimliche Etwas das Dorf längst erreicht haben. Einmal hatte es schon einen Menschen getötet. Wie würde es nun in Cluanie wüten?
»Weißt du, daß es die anderen Trugbilder in sich aufgenommen hat?« erkundigte er sich.
»Ich habe es befürchtet«, erwiderte der Gnom. »Aber ich kann die Reaktion des Schädelwesens nicht Voraussagen. Wir müssen es nehmen, wie’s kommt. Du hättest versuchen sollen, das Geschöpf einzufangen, statt die pferdelose Droschke von ihrem Platz zu entfernen, Freund Zamorra.«
Der überlegte, welche Möglichkeit es gab, die Menschen in Cluanie zu warnen. Sollte er mit dem Wagen ins Dorf hinunter fahren und dort nach dem Ungeheuer suchen? Oder war vielleicht alles ganz anders? Gab es überhaupt keine Gefahr? Immerhin war auch sein Amulett an der Entstehung des Wesens beteiligt gewesen und hatte dazu einen merkwürdigen Kommentar abgegeben…
Er sah wieder die goldene Nicole an.
Hatte sich deren sitzende Haltung nicht um eine Kleinigkeit verändert?
***
Vor Merlin flimmerte die Luft. Überrascht wich der alte Zauberer zurück. Er sah, daß sich aus dem Flimmern eine Gestalt formte. Die Gestalt einer jungen Frau! Merlin hob abwehrend die Hände, als er erkannte, nicht Teri Rheken vor sich zu haben. Der wallenden Haarpracht wegen hatte er die Gestalt im ersten Moment für die Silbermond-Druidin gehalten. Aber dieser Eindruck war falsch, zudem fand der zeitlose Sprung, mit dem Teri Rheken sich von einem Ort an den anderen versetzen konnte, in anderer Form statt.
Die Frau wurde jetzt endgültig sichtbar und stofflich stabil. Sie mochte um die 20 oder 25 Jahre zählen, besaß langes blondes Haar und eine atemberaubende Figur, die von ihrer Kleidung noch unterstrichen wurde. Sie trug einen schockroten Overall, der hauteng anlag und elastisch war, so daß er sich bei jeder Bewegung mitdehnte. Er zeichnete die Körperformen mehr als exakt nach. Rechts und links zogen sich schmale weiße Streifen von den Achselhöhlen bis hinab zu den braunen Stiefeln. Der Ausschnitt reichte bis dicht unter den Nabel,
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