0504 - Attacke der Riesenkäfer
William. Er hoffte, daß Zamorra den Wagen selbst nicht zu häufig benutzen mußte.
Unglaublich schnell und fahrsicher war der Wagen auch. All right, dem Butler war es wie seinem Herrn nie auf Geschwindigkeit angekommen. Aber so, wie der BMW zu fahren war, wäre der Phantom schon bei halbem Tempo aus jeder Kurve geflogen. Hier quietschten nicht einmal die Breitreifen.
Es hätte ihm durchaus Vergnügen bereitet, den Wagen einmal über die Autobahn zu scheuchen. Aber die A 72, die von Clermont-Ferrant nach St. Etienne führt, war zumindest bis Veauche gebührenpflichtig, und die restlichen paar Kilometer reichten nicht, um auf Touren zu kommen. Also benutzte William aus Gründen schottischer Sparsamkeit die Nationalstraße. Da kam er auch zügig voran.
Um diese Tageszeit war kaum jemand außer ihm unterwegs. Deshalb erstaunte es ihn, als er plötzlich die Gestalt einer halbbekleideten jungen Frau sah, die querfeldein auf die Straße zurannte. Unwillkürlich verringerte William das Tempo. Die Frau winkte heftig mit beiden Armen.
»Die spinnen, die Franzosen«, murmelte der Schotte. »Kein Wunder, daß es mit Europa abwärts geht, wenn die Frauen sich schon keine anständige Kleidung mehr leisten können…«
Der BMW hielt an. Die junge Frau, nur mit Shorts bekleidet, auch. Mitten auf der Straße. Sie taumelte, starrte den Wagen an, kam dann auf ihn zu und stützte sich an der Motorhaube ab. William öffnete die Tür und stieg aus. »Wie kann ich Ihnen helfen, Mademoiselle?« fragte er höflich in der Hoffnung, daß seine Französischkenntnisse ausreichten, sich mit der Frau zu unterhalten. Seit Sir Bryont vor Jahren Professor Zamorra in den Llewellyn-Clan »adoptiert« hatte, hatte William versucht, französisch zu lernen, und jetzt war es zur zwingenden Notwendigkeit geworden, die Sprache zu beherrschen. Aber sein harter schottischer Akzent kollidierte immer wieder katastrophal mit den weichen Nasallauten der Franzosen. Es schien, als seien seine Stimmbänder für diese Sprache nicht geschaffen.
Natürlich mußte er seine Frage wiederholen, bis die Frau ihn endlich verstand. Dabei sah er, daß sie verletzt war. Ihr linkes Bein sah gar nicht gut aus. Da waren Schnittwunden, und irgend etwas schien auch in einer dieser Wunden festzusitzen. Etwas großes, Schwarzes…
»Sie müssen zu einem Arzt«, entschied er, ehe sie etwas sagen konnte. »Steigen Sie bitte ein. Was ist passiert?«
»Käfer«, keuchte die Frau. Ihr Blick flackerte. Sie zitterte und zuckte heftig zusammen, schien nach William schlagen zu wollen, als er sie berührte. Dabei wollte er ihr nur helfen, im Auto Platz zu nehmen.
»Was ist mit den Käfern?« fragte er und schielte unauffällig nach ihrer linken Wade. Das sah nach Bissen oder Schnitten aus, und was in der Wunde steckte, waren seltsame hakenähnliche Gebilde.
»Käfer«, murmelt die Frau. »So groß… so groß…«
Mehr bekam er nicht aus ihr heraus. Nachdem er sie im Fond des BMW untergebracht hatte, sah er sich um. Er entdeckte einige hundert Meter entfernt das Dach eines Autos im Gelände, nahe der Loire. Es war kein Mensch zu sehen. Die Frau begann zu weinen und zu stöhnen. Also verzichtete er darauf, dort nachzusehen. Es gab im Augenblick Wichtigeres zu tun. Er stieg wieder hinters Lenkrad und nahm das Funktelefon in Betrieb, um Château anzurufen. Sein Kollege Raffael meldete sich.
»Ich bin zwischen Montagne und Etienne«, sagte er, »und habe eine verletzte Frau aufgenommen. Raffael, wo erreiche ich am schnellsten den nächsten Arzt?«
»Was ist das für eine Verletzung?« erkundigte sich der alte Diener.
»Vermutlich Schnittverletzungen an der Wade. Blut ist schon verkrustet.«
»Fahren Sie zurück ins Dorf. Ich rufe den Doktor an. Das ist einfacher, als eine Irrfahrt durch St. Etienne zu machen.«
Und es war auch unbürokratischer, doch daran dachte Raffael in diesem Moment nicht einmal. Er konnte ja nicht ahnen, was es mit dieser Verletzung auf sich hatte - und daß diese Story bei einem Arzt in St. Etienne in die falschen Hände und in behördliche Mühlen geraten wäre, die allein durch ihren Behördenstatus verpflichtet gewesen wären, der jungen Frau nicht ein einziges Wort zu glauben…
William dankte, legte auf und wendete den Wagen. Mylady würde Verständnis dafür aufbringen, daß die Besorgungen möglicherweise auf den nächsten Tag verschoben werden mußten.
***
Die Flut der Käfer hatte ein neues Ziel. Die fast zweihundert unnatürlich großen Insekten
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