0505 - Jagd der Skelette
einem kleinen, schmalen Raum mit ein paar Türen bestand -für Angeliques, Maurices und Yves’ Zimmer, für die kleine Küche und die noch kleinere Toilette, in die Maurice nicht einmal mit dem Rollstuhl hineinfahren konnte. Er benötigte jedesmal Hilfe, und manchmal war Angelique regelrecht froh darüber, daß Maurice den größten Teil der Woche »draußen« war, eine kleine Studentenbude bewohnte. Auch wenn die ein Heidengeld kostete, das erst einmal herangeschafft werden mußte. Maurice studierte nun schon vertrackt lange, aber er hatte sich ehrgeizige Ziele gesetzt. Er wollte so weit wie möglich nach oben. Und die nötigen Qualifikationen zu erlangen, kostete Zeit. Zumal er durch seine Körperbehinderung auch noch erheblich gehandicapt war. Er war ein brillanter Denker, aber seine Bindung an den Rollstuhl erschwerte ihm viele Dinge, die für seine Mitstudenten Alltag waren.
Und er war viel zu stolz, um sich helfen zu lassen… wollte alles, was körperlichen Einsatz erforderte, allein machen… trotz seiner Behinderung.
Das Licht flammte auf.
Vorsichtshalber hatte Angelique die Augen vorher geschlossen, um, aus dem Dunkel ihres Zimmers kommend, nicht geblendet zu werden. Als sie diese jetzt öffnete, sah sie das Unfaßbare.
Unwillkürlich schrie sie auf.
***
Eysenbeiß hatte seinen Schatten von seinem Wirtskörper getrennt. Er selbst hatte sich wie selbstverständlich auf die Motorhaube eines geparkten Autos gesetzt. Niemand achtete in dieser frühen Morgenstunde auf ihn, und selbst wenn der Besitzer des Autos kam und ihn verscheuchte, machte das nichts. Wer achtete schon auf Schatten?
Eysenbeiß-Salem hielt die Augen geschlossen. Er konzentrierte sich auf das, was der Schatten ihm übermittelte. Er war darin nicht sonderlich geübt. Da es eine übernommene Fremdfähigkeit war, mußte er sich erst daran gewöhnen. Mittels dieses Schattens hat er vor einiger Zeit Sara Moons Machtkristall in seinen Besitz gebracht und sich damit als ERHABENER der Dynastie legitimiert. Aber es hatte ihn erhebliche Anstrengung gekostet, sich auf die Aktion seines Schattens zu konzentrieren. Ihm fehlte einfach die Übung. Leonardo DeMontagne wäre einfacher damit zurechtgekommen.
Vor ein paar Minuten hat Eysenbeiß den geplanten Diebstahl des Amuletts noch für ein Kinderspiel gehalten. Aber jetzt sah er die Schwierigkeiten. Gut, er steuerte den Schatten und »sah« durch dessen imaginäre »Augen«. Aber…
Immerhin hatte er das Haus erreicht und war eingedrungen. Das war kein Problem. Der Schatten floß unter der Tür hindurch, glitt durchs dunkle Treppenhaus abwärts, der Spur Ombres folgend, dann erreichte er die verriegelte Tür der Kellerwohnung. Er zögerte. Ihm war nicht entgangen, daß sein Opfer sich verfolgt fühlte und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen ergriff, aber das störte ihn nicht weiter. Er mußte nur überlegen, wie er jetzt vorgehen sollte. Wie lange mußte er warten, bis sein Opfer einschlief? Wie sollte er das Amueltt nach draußen bringen? Der Schattern selbst konnte durch Ritzen sickern, das Amulett aber war eine feste Masse, die einen bestimmten Platz brauchte. Es ließ sich nicht durch den postkartendünnen Spalt zwischen Tür und Fußboden schieben.
Er drang in die Wohnung ein und begann die Tür zu überprüfen. Das war das nächste Problem; er mußte sich auf »seinen« Tastsinn verlassen. Denn er wollte es nicht riskieren, den Lichtschalter zu betätigen; das konnte auffallen, weil er nicht wußte, wie fest die Bewohner dieses Kellerlochs schliefen. Und als Schatten sah er natürlich nicht mehr, als er körperlich mit seinen wirklichen Augen wahrgenommen hatte.
Es dauerte eine Weile, bis er den primitiven Verriegelungsmechanismus durchschaute; er hatte die Technik einfach überschätzt. Ein Amuletträger hatte sich gefälligst mit allen Raffinessen abzusichern. Daß ein einfaches Zylinderschloß und eine Sperrkette es auch taten, damit hatte er nicht gerechnet. Geräuschlos hakte er die Sperrkette aus und schob in Höhe des Schlosses einen Schattenfinger durch den winzigen Spalt zwischen Tür und Rahmen. Der biegsame, flexible Schattenfinger glitt neben der Schließzunge vorbei in die Schloßfalle, wurde stabil und schob die Zunge unter erheblicher Kraftanstrengung zurück. Eysenbeiß-Salem spürte, wie ihm der Schweiß aus allen Poren brach. Er mußte mit seiner Schatten-Magie gegen die Trägheit des Schließzylinders ankämpfen, und das war nicht gerade leicht. Es erschöpfte
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