0506 - Das unheimliche Grab
zu, während Will noch zurückblieb und seinen Anblick von diesem baufälligen Schuppen einfach nicht lösen konnte. Er schüttelte dabei den Kopf. Für ihn war es unvorstellbar, daß jemand hier lebte.
Die Tür war nicht geschlossen. Man konnte sie überhaupt nicht mehr schließen. Sie hatte sich verzogen. In diesem Haus zog es durch alle Ecken und Ritzen.
Auch Will Mallmann war gekommen. »Nicht verschlossen?« fragte er überrascht.
»Sieht so aus.«
»Was machen wir?«
»Keine Frage. Wir schauen uns die Kate mal an.« Ich faßte nach einem Gegenstand, der aussah wie eine Klinke. Zweimal mußte ich rütteln, dann hatte ich die Tür so weit offen, daß wir uns geduckt über die Schwelle schieben konnten.
Das Haus war im Innern düster. Durch die schmutzigen, kleinen Fenster sickerte sowieso nicht viel Licht, aber ich spürte auch das andere, das innen lauerte.
Es war die eigenartige Atmosphäre, die mich störte. Nicht einmal der Gestank, da hing etwas anderes in dem Raum. Eine gewisse Beeinflussung, die aus einer anderen Welt stammen konnte.
»Was ist denn, John?«
Ich drehte mich auf der Stelle. »Keine Ahnung, Will, aber irgend etwas stört mich.«
Der Kommissar lächelte. »Dämonischer Einfluß.«
»Kann man fast sagen.«
»Dann laß uns mal suchen.«
Eine obere Etage entdeckten wir nicht. Das Haus bestand praktisch aus dem einen Raum und einem kleinen Anbau, den wir von außen nicht gesehen hatten.
Der Sperrmüll feierte auch hier Triumphe. Was wir an Gerumpel sahen, spottete jeder Beschreibung. Da konnte man nur mit dem Kopf schütteln. Der alte Ofen war auch nicht angeschlossen, die Stühle sahen aus, als würden sie jeden Augenblick zusammenkrachen, an vielen Stellen lag Staub, und Spinnweben hingen als dünne Schleier von der Decke. Sie strichen durch unsere Gesichter.
»Nicht mal ein Bett hat die Alte besessen!« Will schüttelte den Kopf. »Wo hat die denn geschlafen?«
»Vielleicht im Anbau.«
»Kann sein.« Will befand sich bereits auf dem Weg zu der schmalen schiefen Tür, die in den Anbau führte. Er drückte zweimal, stieß sie dann auf.
Ich war ihm gefolgt und schob mich hinter ihm in die kleine Kammer, die Galinka Bachmann tatsächlich als Schlafplatz diente.
Ein kleines Fenster ließ nur ungenügend Licht hinein. Es fiel über das alte Feldbett mit der schmutzigen Matratze. Das Laken war ebenfalls nicht viel sauberer. Auf einer Nachtkonsole standen mehrere Kerzen. Sie klebten auf der Oberfläche. Von der Decke hing eine alte Öllampe.
»Die hatte nicht einmal Strom«, sagte Will. Er stand vor einem schmalen, etwas brüchigen Schrank und hatte eine Tür aufgezogen.
Kleider quollen ihm entgegen, mehr Lumpen, die nicht nur muffig, auch nach Mottenpulver stanken.
»Was sagst du dazu, John?«
»Mehr als bitter.«
»Und wie.«
Ich stand am Bett und schaute mir den Nachtschrank an. Er besaß Schubladen. Die oberste zog ich auf, fand nichts, aber in der zweiten entdeckte ich etwas.
Es war ein Buch.
Sehr alt schon, mit einem brüchigen Einband. Ich setzte mich mit dem Buch auf das Bett. Unter mir gab die Matratze stark nach.
»Was hast du da?« fragte Will.
»Ein Buch.«
»Sehe ich – und?«
»Keine Ahnung.« Ich schlug es auf und wußte sehr schnell, daß ich es nicht lesen konnte. Ich hielt Will das Buch hin. »Hier, sieh mal. Kennst du die Sprache?«
Der Kommissar schaute sich die Schrift an, blätterte weiter und zuckte mit den Schultern. »Ich würde sagen, das ist irgendeine Balkansprache. Oder was meinst du?«
»Rumänisch.«
»Zum Beispiel.«
Ich blätterte weiter. Es gab nicht nur Text, auch einige Abbildungen waren vorhanden. Sehr interessante Bilder, die stets etwas Märchenhaftes und Mystisches an sich hatten. Sehr oft wiederholte sich das gleiche Motiv. Ein altes Gemäuer, fast wie ein Kloster aussehend, denn eine Kapelle fand ich immer dabei.
Auch Will schaute zu. Er stand neben mir, ich spürte seinen Atem.
»Das muß einfach die Lösung sein.«
»Kommt mir auch so vor. Nur – wer kann Rumänisch?«
»Ich nicht.«
»Ich etwas. Der alte Marek hat mir einige Worte beigebracht. Es reicht aber nicht aus, um den Text zu lesen.«
Auch Will hatte bemerkt, daß dieses Kloster stets von neuem in den Abbildungen erschien. Dazu gehörte auch eine Gestalt, in der wir den Mönch erkannten.
Er war in verschiedenen Posen abgebildet. Mal bettelnd, dann wieder auf der Klostermauer stehend und mit einem Ausdruck im Gesicht, der als schrecklich anzusehen
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