0506 - Das unheimliche Grab
war.
Gegen Ende des Buches sahen wir die drohende Wolke über dem Gemäuer. Wenn man genau hinschaute, bestand die Wolke aus einer Fratze, dem Zeichen des Bösen.
Den Namen des Mönches hatte ich mittlerweile auch herausgefunden. Er hieß Rusko.
Ich sprach mit Will darüber. »Hast du ihn schon gehört?«
»Nein, den höre ich zum erstenmal. Rusko, der Mönch. Damit kann ich nichts anfangen.«
»Ich ebenfalls nicht.«
Das letzte Bild im Buch zeigte eine Explosion. Das Kloster wurde zerstört, die einzelnen Teile flogen in alle Richtungen davon. Nur das Zentrum war übriggeblieben, und dort hatte sich etwas hervorgeschält. Eine riesige Fratze. Knochig und unwahrscheinlich grausam.
»Das Skelett!« flüsterte Will. »Verdammt, John, das ist die Lösung. Aus dem Mönch ist ein Skelett geworden.«
Ich widersprach meinem deutschen Freund nicht und fragte nur:
»Weshalb ist das so?«
»Weiß ich auch nicht.«
Wir gingen mit dem Buch ans Licht, wo wir die Abbildung noch deutlicher sehen konnten. Es gab keinen Zweifel, das Skelett von der Autobahn und diese Abbildung waren identisch.
»Und nun?« Will lächelte.
»Werden wir unseren Knochenfreund finden müssen.«
»Wie auch seine Begleiterin.«
»Das versteht sich.«
Will rieb sein Kinn. »Nur ein Buch als Spur?« Er schüttelte den Kopf. »Damit will ich mich nicht abfinden. Laß uns den Raum noch mal genau durchgehen.«
Ich hatte nichts dagegen, doch es kam nicht dazu, weil wir abgelenkt wurden.
Ein schriller Pfiff ertönte.
Wir hatten mit Tommy Cramer ausgemacht, daß er uns warnen sollte, wenn jemand kam. Der Pfiff war das vereinbarte Signal gewesen.
Das Buch nahm ich mit, als wir die kleine Schlafkammer verließen.
Ich hatte den Kopf nicht weit genug eingezogen. Meine Haare streiften noch über die Tür kante.
Sie war schon da.
Galinka Bachmann stand in der offenen Eingangstür und schaute uns böse an. »Diebe, Einbrecher!« keuchte sie, streckte den Arm aus und spreizte dabei die Hand, als wollte sie uns mit einem bösen Zauber belegen. Sie blieb sekundenlang in dieser Haltung, bevor sie den nächsten Satz sprach. »Wer sich gegen mich stellt, ist so gut wie tot!«
***
Eine düstere Warnung war dies. Gesprochen mit einer kratzigen Stimme, aber noch lebten wir und nahmen deshalb die Worte auch nicht so tragisch.
»Es war offen«, sagte ich.
»Na und? Das gibt Ihnen noch längst nicht das Recht, in mein Haus einzudringen.« Sie sprach deutsch, doch der harte Balkan-Dialekt war noch hervorzuhören.
Überhaupt wirkte sie wie eine Person aus dem vergangenen Jahrhundert. Die Kleider konnte man nicht als Lumpen bezeichnen, sie waren aber alt und rochen nach Erde und Feuchtigkeit. Am unteren Saum des Rocks klebten Schmutzreste. Auch die alten Schuhe besaßen einen Rand aus getrocknetem Lehm.
Das Gesicht zeigte einen verkniffenen, lauernden und gleichzeitig bösen Ausdruck. Die Unterlippe war etwas vorgeschoben. Strähnig hing das helle Haar um einen länglichen Kopf. Die Hände und ihre unteren Armgelenke waren sehr dünn. Sie schienen nur mehr aus Knochen zu bestehen.
»Wir haben mit Ihnen zu reden, Frau Bachmann!« erklärte Will.
»Und? Das gibt Ihnen noch längst nicht…«
»Wir sind von der Polizei!«
»Ach.« Mehr sagte sie nicht. Wahrscheinlich fehlten ihr die Worte.
Mit so einem Besuch hatte sie nicht gerechnet. »Ausländeramt?« fügte sie noch hinzu.
»Nein, ich bin Kommissar Mallmann. Neben mir steht Oberinspektor Sinclair.«
»Engländer?«
»Ja«, sagte ich.
Sie nickte mir zu, als würde sie mich kennen und mich als Bekannten begrüßen.
»Ich bin mir keiner Schuld bewußt«, sagte sie schnell. »Und wenn Sie auf das Geschwätz eines Halbwüchsigen hören…«
»Das Geschwätz klang keineswegs wie eine Lüge. Auch wir haben das Skelett gesehen.«
»Ein Skelett?«
»Ja, mit einer Sense in der Hand«, übernahm Will das Wort.
»Dieser Knochenmann muß wohl etwas gegen Lastwagenfahrer haben. Besonders, wenn die Leute aus Rumänien stammen.«
Sie lachte etwas schrill. »Ich verstehe Sie nicht.«
»Wo befindet sich Dimitrou?«
»Wer?«
»Dimitrou«, wiederholte Will. »Er ist verschwunden. Er wurde wahrscheinlich entführt.«
»Und was habe ich damit zu tun?«
»Sie könnten daran beteiligt gewesen sein«, erklärte der Kommissar. Er nickte Galinka zu.
»Ich kenne ihn nicht!«
»Kennen Sie denn Rusko?« fragte ich.
»Was soll das?«
»Der Mönch. Wir haben etwas über ihn gelesen. Das Buch war
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