0506 - Das unheimliche Grab
war.
Was kam danach?
Ein fürchterliches, elendiges Ersticken. Das Schnappen nach Luft, wo keine mehr vorhanden war. Ein langsamer, ein schrecklicher Tod, begleitet von fürchterlichen Qualen.
War das der Sinn dieses eingesperrt seins? Wenn ja, warum?
Weshalb gerade er? Weshalb sollte er hier elendig umkommen?
Oft genug hatte er sich Vorwürfe gemacht. Wäre er nicht mit der alten Frau gegangen, er hätte sich an den Rat der beiden Polizisten halten sollen.
Jetzt war es zu spät.
Dimitrou hatte auch das Grab ausgemessen. Es besaß eine rechteckige Form. In der Länge fast vier Schritte, in der Breite nicht ganz die Hälfte davon, also ziemlich groß.
Nach dem ersten Schock war er darangegangen, sein Gefängnis auszuleuchten. Es bestand aus glatten Lehmwänden. Über ihm hatte die Flamme Reflexe auf der Innenseite der schweren Steinplatte hinterlassen, die ein einzelner wie er sicherlich nicht zur Seite schieben konnte.
Das Gefängnis war perfekt!
Je mehr Zeit verging, um so mehr verschlechterte sich auch seine Lage. Irgendwann hatte er aufgehört, Mensch zu sein. Da kam er sich vor wie ein Tier, wenn er sich zusammenkauerte und mit dem Rücken gegen die Wand lehnte.
Er hätte eigentlich flacher atmen müssen, um mit der Luft besser haushalten zu können, das schaffte er nicht. Dimitrou war innerlich einfach zu aufgewühlt, er atmete viel zu schnell, so daß der Sauerstoffgehalt in der Luft rasch abnahm.
Hinzu kam die Wärme. Es war furchtbar stickig geworden. Der einsame Gefangene schwitzte stark. Die Kleidung klebte am Körper.
Er selbst sonderte auch einen Körpergeruch ab, vor dem er sich fast schon ekelte. Immer stärker wurde das Grab zu einer muffigen Totenkammer.
Apathie überkam ihm. Manchmal lachte er völlig unmotiviert auf.
Da hatte er dann an irgendwelche Dinge gedacht, die die Phantasie ihm vorgaukelte. Er sah Bilder von sich und seiner Familie.
Dimitrou fühlte sich wieder zurück in Rumänien, wo er in einem kleinen Haus wohnte, zusammen mit seinen Schwiegereltern. Eine wunderschöne Gegend, waldreich, aber nicht zu abgelegen. Sie alle halfen mit, das Haus zu bezahlen und zu erhalten. Sie waren eine verschworene Gemeinschaft, und nur wegen des Geldes hatte Dimitrou zugestimmt, den Job anzunehmen, der ihn auch außerhalb Rumäniens in ferne Länder brachte.
Irgendwann begann er zu singen. Zunächst nur ein leises, trauriges, schwermütiges Gemurmel, danach das Singen. Ein Lied aus der Kindheit, seiner Heimat, das von Sonne und Liebe erzählte, aber auch vom Herbst und vom Sterben.
Sang er sich in den Tod?
Dimitrou wußte es selbst nicht. Vielleicht stand er schon dicht vor dem Wahnsinn, bei einer Situation, wie er sie erlebte, war die Schwelle rasch übersprungen.
Er flüsterte die Worte, weil er nicht mehr genügend Kraft besaß, den Text zu singen, und er vernahm auch nicht das kratzende Geräusch über seinem Kopf, als sich die Platte bewegte, wobei zaghaft erste Lichtfinger in das unheimliche Gefängnis des Mannes hineinfielen.
Die Platte wich zur Seite. Jemand hatte den Mechanismus gefunden. Frische, schon warme Tagesluft strömte in das Grab.
Oben erschien das Gesicht.
Eine faltige Maske mit alter Haut, aber Augen, die in einem kalten Triumph leuchteten.
Galinka Bachmann war da!
Sie schaute hinein und sah Dimitrou wie ein waidwundes Tier regungslos in der Ecke sitzen.
»Bist du schon tot?« fragte sie flüsternd und kicherte dabei. »Hat es dich bereits erwischt?«
Dimitrou rührte sich nicht. Es war ihm auch nicht anzumerken, ob er die Stimme überhaupt vernommen hatte. In einem Zustand wie diesem war er nicht ansprechbar.
»He, ich rede mit dir!«
Dimitrou zeigte keine Reaktion. Die alte Bachmann war es leid. Sie wollte es genau wissen, hob einen kleinen Stein hoch und warf ihn so nach unten, daß der Rumäne an der Schulter getroffen wurde und dabei zusammenzuckte.
»Ha, du lebst noch!«
Erst jetzt hörte er die Stimme. Dimitrou erwachte wie aus einem sehr tiefen Traum. Es war schwer für ihn, sich zu bewegen.
Galinka Bachmann hockte am Rand und beobachtete stumm.
Der Fahrer drehte den Kopf. Er hob ihn auch an, denn er wollte nicht glauben, daß über ihm die Sonne schien und ihn blendete.
Und es kam frische Luft!
Ein wunderbares Gefühl war es für ihn, wieder atmen zu können.
So herrlich war die Sonne, aber er konnte sie nicht richtig genießen, weil er einfach zu schwach war.
Galinka Bachmann ließ ihn zunächst in Ruhe. Sie wollte ihm die Chance geben,
Weitere Kostenlose Bücher