0506 - Das unheimliche Grab
sich zu erholen, dann konnte sie mit ihm reden.
Schon heiß brannte die Sonne auf die Erde. Man konnte erkennen, wie in dem feuchten Grab das Wasser an den Wänden nach unten rann.
Galinkas Atmen hörte sich an wie ein Zischen. Fast sprungbereit hockte sie am Grabrand. »He, geht es dir besser, Dimitrou?«
Der Rumäne hob die Arme und ließ sie wieder fallen. Seine Hände berührten den Boden. An dieser Geste war zu erkennen, wie hilflos er sich fühlte.
»Gib Antwort, verdammt! Du bist noch nicht tot. Nein, noch nicht.« Sie kicherte.
»Was willst du?« Es hatte ihn Mühe gekostet, die Frage zu formulieren. Er hatte sich erst die Kehle freiräuspern müssen.
»Dich! Deinen Tod! Du wirst ihn erleben, aber du wirst sterben, wann ich es will.«
»Warum?« Er hatte leise geschrien und schüttelte voller Verzweiflung den Kopf.
»Du mußt geopfert werden. Dich hat es endlich erwischt. Die anderen sind entkommen.«
»Geopfert?«
»Ja, so sehen wir den Tod, der Sensenmann und ich. Ich habe lange gesucht und ihn hier gefunden. Der alte Fluch, das alte Versprechen ist eingelöst worden.«
»Wußtest du von ihm?«
»Ja«, wiederholte sie und lachte. »Ich wußte von ihm. Oder hast du noch nie etwas von Rusko, dem Mörder-Mönch gehört?«
»Nein…«
»Er lebte bei uns. Er ist Rumäne gewesen. Er hat seine Opfer in das Kloster gelockt und sie mit einer Höllensalbe eingerieben, so daß ihnen das Fleisch von den Knochen fiel. Dann hat er die Skelette in einer Kammer versteckt.«
»Wie kam er her?«
»Man nahm ihn mit. Er schloß sich Pilgern an. Ich folgte seiner Spur. Es hat Jahre gedauert, bis ich fündig geworden bin. Jetzt habe ich ihn gefunden und ihn auch aus seinem Grab befreit.«
»Und weshalb soll ich sterben?«
Galinka Bachmann begann zu lachen. »Kannst du dir das nicht denken, Landsmann? Es ist noch etwas von der Salbe übrig, verstehst du? Rusko und ich wollen ausprobieren, ob sie noch wirksam ist. Ich habe oft am Grab gesessen und geweint. Viele Tränen fielen aus meinen Augen und tropften auf die Platte. Es dauerte sehr, sehr lange, bis es soweit war. Erst jetzt fühle ich mich gut.« Sie richtete sich mit müde wirkenden Bewegungen auf. »Du lebst hoch, das wollte ich auch. Wenn sich das Grab das nächste Mal öffnet, werde ich nicht mehr allein sein. Da bringe ich Rusko, den Mörder-Mönch, mit.«
Den Kontakt hatte sie bereits zurückgezogen. Das knirschende Geräusch trieb dem im Grab wartenden Rumänen Schauer der Angst über den Rücken. Mit einer letzten Verzweiflungstat versuchte er, seinem makabren Gefängnis zu entkommen. Er sprang hoch, wollte sich am Rand des Grabes festklammern, rutschte ab, weil er einfach nicht mehr die Kraft besaß, sich dann noch hochzuziehen. Mit beiden Füßen kam er auf, taumelte zur Seite, fiel gegen die Grabwand, schaute hoch, das Kichern ängstigte ihn, und der Ausschnitt verkleinerte sich zusehends.
Noch einmal unternahm er einen Versuch. Kam auch hoch, klammerte sich sogar fest, hielt sich, preßte beide Fußspitzen gegen die Lehmwand – es war sinnlos.
Der Spalt verkleinerte sich zusehends, und er würde es nicht mehr schaffen können.
Das erklärte ihm Galinka Bachmann auch mit höhnischer Stimme.
»Zieh die Hände weg, sonst werden sie dir zerquetscht, und deine Leiden verlängern sich.«
Er rutschte ab.
Gerade noch rechtzeitig genug. Hart kam er wieder auf, sackte diesmal zusammen, blieb auch hocken und starrte über sich, wo der Lichtspalt nur mehr fingerbreit war und zwei Sekunden später die Dunkelheit wie ein Sack über ihn fiel.
Von außen hörte er das Lachen.
Widerlich und grausam…
Dimitrou sah keine Chance mehr. Er fiel nach vorn und hatte das Gefühl, dem Reich des Todes schon näher zu kommen…
***
Tommy Cramer saß auf dem Rücksitz und bewegte ängstlich die Augen. Er hatte sich noch immer nicht beruhigt, fühlte sich unwohl und schaute, als wir anrollten, gegen das Fenster der Polizeistation, wo sich hinter der Scheibe die mächtige Gestalt des Wachtmeister Prechtl abzeichnete. Er stand dort wie eine Eiche, die kein Sturm umwerfen konnte.
Ich hörte das seufzende Atmen des Jungen. »Du hast Angst vor diesem Wachtmeister?«
»Ja, die haben alle.«
»Wieso?«
»Er ist eine Institution. Die Alten kommen ja mit ihm zurecht, die Jungen weniger.«
»Das ist meist so gewesen.«
»Er hat auch kein Verständnis. Zu konservativ, einfach schrecklich.«
Bevor wir das Thema näher erörtern konnten, mischte sich Will Mallmann
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