0506 - Das unheimliche Grab
es sich an wie das Flüstern von Stimmen, dann wiederum war nur ein Rascheln zu vernehmen.
Leider konnte er nicht herausfinden, wo sich die alte Frau befand.
Wenn sie sich auch weiterhin im Wald aufhielt, mußte ihr Vorsprung so groß gewesen sein, daß ihre Schritte für Tommy nicht mehr zu hören waren. Konnte sie tatsächlich so schnell gehen?
Er kannte auch nicht die exakte Richtung, die er einschlagen mußte, deshalb ging er einfach geradeaus, duckte sich vor tiefen Zweigen, kletterte über vom Sturm gekippte Baumstämme hinweg und suchte auch den Boden ab, ohne etwas zu finden.
Galinka Bachmann hatte keine Spur hinterlassen.
Er kämpfte sich weiter. Der Wald war wie eine Wand, die mal näher kam, dann wieder genügend Platz schuf, so daß er gut vorankam. Der Zeitbegriff war ihm verlorengegangen. Er wußte nicht, ob er eine halbe oder bereits eine Stunde unterwegs gewesen war.
Tommy kannte dieses Gebiet. Als Kind hatte er mit seinen Freunden hier Indianer und Trapper gespielt. Er wußte auch, daß der Wald in Richtung Autobahn lichter wurde und sich dort das alte Grab befand, vor dem sie sich als Kinder stets gefürchtet hatten und selbst Erwachsene einen Bogen darum machten.
Niemand mußte so recht, wer in diesem Grab lag. Tommy hatte mal gefragt, aber keine Antwort bekommen.
Vielleicht aus Angst…
Komisch. Jetzt brachte er sogar das Grab mit dem Auftauchen des Skeletts in einen Zusammenhang, in den auch Galinka Bachmann hineinpaßte. Tommy nahm sich vor, bis zum Grab zu laufen. Wenn er dort nichts sah, wollte er nach Hause.
Der Wald lichtete sich. Die Bäume waren nicht mehr so hoch, dafür überragten ihn die Zweige der Sträucher.
Weich wie ein Teppich kam ihm der Boden vor. Die Füße hatten das hohe Gras geknickt, altes Laub raschelte unter seinen Sohlen, manchmal brachen auch trockene Zweige.
Er blieb stehen, weil er sich orientieren mußte. Zwar kannte er sich gut aus, doch in der Dunkelheit wirkte eben alles anders. Da hatte er das Gefühl, als wären die Bäume zu einem gespenstischen Leben erwacht, wenn er die Zweige berührte und bei ihnen auch das Blattwerk zum Zittern brachte.
Der Himmel über ihm hatte seine Farbe nicht geändert. Es zeigte ein dunkles, fast schon böses und abweisendes Grau. Der fast volle Mond stand dort wie ein kaltes Glotzauge, das seinen Schein wie Streulicht aus der Gießkanne abgab.
Wo lag das Grab denn?
Tommy konnte nichts sehen. Vor seinen Füßen raschelte es. Ein Eichhörnchen huschte vorbei. Er ging weiter. Mit den Armen schob er sperrige Zweige nach rechts, lief noch einige Schritte über den weichen Humusboden und sah dann den schmalen Streifen vor seinen Schuhspitzen.
Es war ein Pfad!
Jetzt wußte Tommy Bescheid. Dieser Pfad, schon so zugewachsen, daß er kaum zu erkennen war, führte zum Grab. Dabei mußte er in Richtung Autobahn gehen. Sie lag so weit entfernt, daß die Geräusche nur bei einer bestimmten Windrichtung zu hören waren.
In dieser Nacht war es ruhig.
Er bewegte sich sehr langsam weiter, ging auch geduckt, achtete auf ein Licht, das eventuell von der alten Frau getragen wurde, doch es war nichts zu sehen.
Dann hörte er etwas.
Geräusche, die ihm zunächst fremd vorkamen. Sie paßten einfach nicht in die nächtliche Kulisse aus Rascheln, Schaben und dem Huschen kleiner Füße.
Ein Lachen war es jedenfalls nicht. Da schien jemand zu weinen.
Timmy Cramer versuchte jetzt, sich so lautlos wie möglich zu bewegen. Wenn er das Weinen schon gehört hatte, dann war es durchaus möglich, daß ihn die andere Person ebenfalls wahrnahm.
Wer aber saß mitten in dieser finsteren Nacht irgendwo in der Gegend und weinte? Wenn ihn nicht alles täuschte, dann mußte die Person ungefähr dort sein, wo sich auch das Grab befand.
Zur rechten Seite hin deckte ihn dichtes Gebüsch. Links wuchsen weder Bäume noch Buschwerk, nur das hohe Gras, dessen Spitzen im leichten Wind zitterten.
Sehr weit war es nicht mehr. Tommy blieb stehen, als er das Grab erkannte. Er hatte es noch gut in Erinnerung. Es war sehr flach, schmucklos, mit einem schlichten Stein, der wie ein viereckiger Arm aussah.
Hatte es sich verändert?
Zuerst glaubte er an zwei Steine, bis er feststellen mußte, daß es eine Gestalt war, die auf dem Grab saß.
Die alte Bachmann!
Tommy schüttelte den Kopf. Er wußte überhaupt nicht, was er davon halten sollte. Sein Atem ging schnell, und er konnte nichts dagegen machen.
Weshalb hockte die Frau dort auf dem Grab und weinte leise
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