0508 - Morganas wilde Meute
einem pulsierenden Lichtermeer, das sich permanent in Bewegung befand.
Parkplätze waren schwer zu finden. Zum Hochhaus gehörte eine Tiefgarage, in die Jenna nicht hinein konnte, aber die kleinen Grünanlagen in der Nähe beherbergten ebenfalls Parktaschen. Sie gehörten zu den beiden hohen Häusern, die man gebaut hatte.
Es war schattig, als Jenna in die Grünanlage einbog. Auch jetzt schon standen die Wagen dicht nebeneinander. Jenna rollte an beiden Reihen vorbei.
Direkt am Ende entdeckte sie an der rechten Seite noch eine freie Lücke, in die ihr Toyota hineinpaßte. Sie mußte zweimal stark kurbeln, auch noch zurück, dann war es geschafft.
Das Aussteigen gelang ihr nur an der linken Beifahrertür, und sie drückte sich praktisch in ein Gebüsch, als sie das Fahrzeug verließ.
Zweige kratzten über ihre Arme.
Jenna sperrte den Wagen ab. Am Heck des Fahrzeugs blieb sie für einen Augenblick stehen. Ihr Blick glitt in die Höhe. Sie sah nicht nur den Himmel, auch die Fassaden der beiden Hochhäuser. In zahlreichen Zimmern brannten die Lichter, so daß die Fassaden aussahen wie ein unregelmäßig verlaufenes Schachbrettmuster.
Die Geräusche der verkehrsreichen Straße hielten sich hier in Grenzen. Gedämpft erreichten sie ihre Ohren.
Fahrzeuge und Strauchwerk bildeten kompakte Wände. Obwohl die Technik hier vorherrschte, kam Jenna der kurze Weg bis zum Haus unheimlich vor. Die hohen Gebäude schienen meilenweit entfernt zu sein, und die Lichter wirkten wie viereckige Sterne.
An der Querstraße des Parkplatzes rollte ein größerer Wagen vorbei. Der Fahrer suchte woanders eine Lücke.
Wieder blieb Jenna stehen. Etwas hatte sie irritiert. Vielleicht war es der Geruch, den der Wind mitbrachte. In der Wüste waren ihre Sinne sensibler geworden. Sie sah viele Dinge jetzt mit anderen Augen, sie besaß andere Empfindungen, und sie nahm etwas wahr, das eigentlich nicht hierher paßte.
Jenna drehte sich langsam auf der Stelle um.
Der Wolf stand auf einem Autodach!
Unbeweglich, denkmalgleich. Seine Augen waren kalte Laternen, die Jenna fixierten.
Die Archäologin rührte sich nicht von der Stelle. Den Anblick empfand sie als eine drückende Last, und auch der Wolf sah nicht so aus, als würde er im nächsten Moment springen. Er blieb noch einige Sekunden in der Haltung stehen, dann drehte er sich auf dem Dach herum und sprang mit einem gewaltigen Satz hinter die den Rand des Parkplatzes markierende Hecke. Dort verschwand er.
Jenna Jensen entspannte sich wieder. Auf einmal wurden ihr die Knie weich, der Schock folgte. Sie taumelte zur Seite und stützte sich auf dem Kotflügel eines Autos ab. Schauer rannen von der Stirn bis zu den Beinen über ihren Körper, sie schnappte einige Male nach Luft und bekam die Atmung wieder unter Kontrolle.
Sie sind da! hämmerte es hinter ihrer Stirn. Sie haben dich nicht aus den Augen gelassen. Sie wollen dir zeigen, daß sie stärker sind als du. Daß du keine Chance hast.
Diese Sätze konnte sie einfach nicht aus dem Kopf bekommen. Zudem fiel ihr der Anruf wieder ein.
Da hatte eine Frau mit ihr gesprochen. War es möglich, daß sie sich ebenfalls in der Nähe befand?
Sosehr sich Jenna auch anstrengte und Ausschau hielt, entdecken konnte sie niemanden.
Dieser Parkplatz war menschenleer. Nur sie befand sich auf ihm, bis sie Schritte vernahm. Dem Klang nach mußten es die Schritte eines Mannes sein. Er ging sehr schnell, zudem hart und irgendwie fordernd. Wahrscheinlich war es der Fahrer des Wagens, der über die Querstraße des Platzes gerollt war.
Diese Person konnte ihre Chance sein.
Jenna lief so, daß sie praktisch an der schmalen Kreuzung mit ihm zusammentreffen mußte. Der Mann schaute kurz zu ihr hin, nickte ihr zu und ging dann weiter.
Jenna hielt sich hinter ihm. Die nächste Enttäuschung folgte sehr schnell, da sich der Mann dem zweiten Haus zuwandte, in dem John Sinclair leider nicht wohnte.
Da Jenna die Hälfte der Strecke bereits hinter sich gelassen hatte, nahm sie auch den Rest in Angriff. Sie ging aber schneller, hörte ihre eigenen Schritte auf dem Asphalt und sah schon das breite im Licht liegende Eingangsportal des Hochhauses.
Nur noch wenige Schritte, dann hatte sie es geschafft. Sie drehte sich um.
Hinter ihr befand sich kein Verfolger. Sie hätte ihn im Licht der Parkplatzleuchten einfach sehen müssen. Während sie sich umschaute, ging sie weiter – und prallte gegen ein Hindernis.
»So stürmisch?« Das sagte kein Mann. Eine Frauenstimme
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