0508 - Morganas wilde Meute
Jenna auf die sich öffnende Tür.
Ich ließ ihr den Vortritt. Sie hatte gelernt, denn sie schaute sich vorsichtig um, als sie den Gang betrat. »Dann war da noch diese Frau«, sagte sie.
»Welche Frau?«
»Das erzähle ich Ihnen gleich, John.«
»Okay.« Ich hielt den Wohnungsschlüssel schon in der Hand, schloß auf und ließ Jenna den Vortritt. »Gehen Sie rein, Jenna, und fühlen Sie sich ganz wie zu Hause.«
Sie war noch etwas scheu. So schaute sie sich auch um. Ein flüchtiges Lächeln umspielte ihre Lippen. »Nett haben Sie es hier, John.«
Ich hatte die Wohnungstür geschlossen und winkte noch in der Diele lachend ab. »Sie haben es bestimmt gemütlicher, Jenna. Das ist eben eine Junggesellenbude, wissen Sie.«
»Trotzdem.«
»Nehmen Sie irgendwo Platz. Es ist wieder aufgeräumt und renoviert worden.«
»Wieso? Hatten Sie Schwierigkeiten?«
»Ja, ein japanischer Geist fühlte sich bemüßigt, meine Wohnung auseinanderzunehmen. Er hat es nicht ganz geschafft.« Ich wechselte das Thema. »Was möchten Sie trinken?«
»Nichts Alkoholisches.«
Ich holte Orangensaft und zwei Gläser. Die kalte Flüssigkeit tat gut. »So, Jenna, dann berichten Sie mal, was Ihnen widerfahren ist.«
Sie saß mir gegenüber und hatte die Hände in den Schoß gelegt.
»Tja, das ist gar nicht einfach.«
»Es geht also diesmal nicht um die Königin von Saba, sondern um Wölfe – oder?«
»Das kann man sagen.« Sie schaute gegen das Fenster. »Wölfe in der Großstadt, ich begreife es einfach nicht. Da komme ich nicht dahinter, John.« Sie schlug gegen ihre Stirn. »Aber es ist egal. Die Wölfe existieren tatsächlich, und sie haben mich auch über Tausende von Meilen verfolgt!«
Ich war erstaunt. »Wo kommen Sie denn her?«
»Aus Arabien, dem ehemaligen Land der Sabäer.«
»Und dort haben Sie…?«
»Da sah ich sie. Es war einfach furchtbar. Sie haben sich mir gezeigt, sie töteten meine beiden Begleiter.« Jenna hatte sich jetzt in Fahrt geredet und war froh, daß jemand vor ihr saß, dem sie ihre Erlebnisse berichten konnte.
Ich unterbrach sie nicht, merkte mir aber sehr genau, daß sie auch von einer Frau gesprochen hatte, die ihr persönlich fremd war. Sie kam noch auf London zu sprechen, wobei sie den Komplex damit abschloß. »Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, John. Jetzt sind Sie an der Reihe.«
»Das sehe ich auch so.«
Zwischen uns entstand eine Schweigepause. Jeder hing seinen Gedanken nach. Ich überlegte scharf, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Grab der Königin von Saba und dem Auftauchen der Wölfe geben konnte. Darauf sprach ich Jenna an.
Sie hob die Schultern. »Das muß dann wohl so sein.«
»Jenna«, sagte ich. »Sie haben sich mit der Königin beschäftigt, so gut es möglich war. Gibt es in ihrer Geschichte oder Sagenwelt irgend etwas, das auf die Existenz von Wölfen hinweist?«
»Nicht daß ich wüßte«, antwortete sie spontan. »Und wie ist das bei Ihnen, John?«
»Hm. Auch ich sehe da keine Verbindung.«
»Dann ist es Zufall, daß…«
»Nein, das auf keinen Fall. Es gibt da schon gewisse Motive. Die müssen wir nur herausfinden.« Ich trank einen Schluck Saft und schnippte mit den Fingern. »Meiner Ansicht nach ist die unbekannte Frau das Bindeglied zwischen den beiden Vorgängen.«
»Meinen Sie?«
»Weshalb hätte diese Person Sie sonst anrufen sollen?«
»Ich weiß es nicht. Die Stimme habe ich nie zuvor gehört. Die Person ist mir völlig fremd, aber sie scheint etwas über mich zu wissen, nehme ich an.«
»Ja, das glaube ich auch.«
»Vor dem Haus tauchte sie dann auf. Es war dunkel, ich habe sie nicht genau sehen können.«
»Und wie ist es mit einer ungefähren Beschreibung?«
»Auch schlecht, John. Sehr schlecht sogar. Ich sah sie und weiß nur, daß sie lange Haare hat.«
Meine Antwort begleitete ich mit einem Lächeln. »Davon gibt es unzählige Frauen.«
»Sehr richtig.«
Jenna ließ mich mit weiteren Fragen in Ruhe. Sie merkte, daß ich über gewisse Dinge nachdachte.
Bevor die Menschen waren, da waren die Wölfe. An diesen alten Satz mußte ich oft denken, auch jetzt kam er mir wieder in den Sinn.
Die Wölfe waren schon da, sie würden auch immer bleiben. So mußte man diesen Satz interpretieren. Möglicherweise hatten sie einmal die gesamte Welt bevölkert und sich auch mit ihren dämonischen Artgenossen, den Werwölfen, vermischt.
»Es waren aber keine Werwölfe?« fragte ich Jenna.
»Nein!« Sie hatte spontan geantwortet und griff nach ihrem Glas,
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