0509 - Die Drachenfrau
zu sich zurück rufen. Aber die beiden anderen Amulette waren verloren. Es würde nicht einfach sein, sie Stygia wieder abzujagen, wenn sie sie erst einmal in den Schwefelklüften in Sicherheit brachte.
Dennoch war es Zamorra nicht ganz klar, wieso die Fürstin ihnen zuerst in Julians Gestalt entgegengetreten war. Seines Wissens beschränkten sich die gestaltwandlerischen Fähigkeiten der Dämonenfürstin darauf, wahlweise als dunkelhaarige Menschenfrau und als geflügelte und gehörnte Teufelin aufzutreten. Eine Verwandlungskunst wie die hier gezeigte hätte Zamorra allenfalls Sid Amos alias Asmodis zugetraut, oder Astardis, der sich niemals selbst aus seinem tiefsten Höllenversteck herauswagte, sondern stets nur einen feinstofflichen Zweitkörper entsandte, dem er jedes beliebige Aussehen verleihen konnte.
Und Merlins Stern reagierte immer noch nicht auf die Schwarze Magie! Fast schien es Zamorra, als sei sein Amulett »abgeschaltet« worden. Aber das war nicht möglich. Diesen Trick hatte nur Leonardo deMontagne beherrscht, und der war ein für allemal unschädlich gemacht.
Stygia musterte Zamorra eingehend und sah sich dann nach den beiden Frauen um. Schließlich wandte sie sich wieder Zamorra zu.
»Damit hast du nicht gerechnet, verfluchter Hexer, daß du mir doch noch in die Hand fällst? Aber nun bin ich am Ziel. Gib mir, was mein ist.«
Zamorra rührte sich nicht.
»Verzeiht, Herrin«, krächzte der Drachenkrieger, der Zamorra nach wie vor die Speerspitze an den Hals hielt. »Aber ich verbot ihm, sich zu bewegen und zu sprechen. Er wagt es in seiner Angst nicht, Euch zu antworten oder Eurem Befehl nachzukommen, weil er damit rechnen muß, daß ich ihn töte.«
»Nimm den Speer ein wenig zurück«, verlangte Stygia.
»Herrin, nie würde es mir einfallen, Eure Weisheit und Macht anzuzweifeln, aber er ist ein verfluchter Hexer! Sobald er auch nur die Chance bekommt, eine Hand zu rühren, wird er zaubern und uns alle vernichten!«
»Du bist ein ängstlicher Narr«, erwiderte Stygia barsch. »Vergiß nicht, daß ich in der Lage bin, uns alle vor seinem Zauber zu schützen.« Aus ihren Händen sprühten weiße Funken und tanzten in einem furiosen Reigen über Zamorra in der Luft. Der Krieger nahm den Speer jetzt zurück, aber obgleich er absolut nicht menschlich war, war es ihm anzusehen, daß diese Anweisung ihm überhaupt nicht gefiel.
»Gib mir, was mein ist, verfluchter Hexer!« wiederholte Stygia.
Zamorra verzog das Gesicht. Natürlich würde er ihr die Amulette niemals freiwillig geben, und auf nichts anderes war sie aus! Jetzt, da er den Druck nicht mehr an der Kehle spürte, rechnete er sich Chancen aus. Wenn es ihm gelang, sich herumzurollen, den Drachenkrieger zu Fall zu bringen und ihm den Speer zu entreißen, dann…
»Du solltest nicht einmal daran denken, Hexer«, sagte Stygia spöttisch. »Es würde dir nur große Schmerzen bereiten.«
Zamorra sah zu Nicole. Sie lag immer noch bäuchlings auf dem Boden und hatte damit die schlechteste aller Positionen. Von ihr war keine Hilfe zu erwarten. Aber vielleicht gab es eine Möglichkeit, wenn Stygia gezwungen war, selbst aktiv zu werden. Wenn sie sich über ihn beugte und sich damit zwischen Zamorra und den Drachenkrieger brachte…?
»Du wirst dich schon selbst bemühen müssen«, sagte er. »Versuche doch, mir abzunehmen, was du von mir haben willst.«
»Wie du willst«, sagte sie. Sie kauerte sich neben ihm nieder. Immer noch versprühte sie die weißen Funken, so, wie es Zamorra bei dem Drachen am Himmel gesehen hatte. Zamorra wollte die Arme hochreißen, nach der Dämonin greifen und sie herumreißen und gegen den Speer des Drachenkriegers schleudern. Aber es gelang ihm nicht. Von einem Moment zum anderen glaubte er in hellen Flammen zu stehen. Das Feuer kroch durch seine Nervenbahnen und Adern und ließ seinen Körper aufglühen. Unerträglicher Schmerz raubte ihm die Beherrschung und ließ ihn aufschreien. Die Macht seiner Kontrahentin hinderte ihn.
Sie öffnete sein Wams und sein Hemd und streckte die Hände nach den Amuletten aus.
Und zuckte zurück, als habe sie sich verbrannt. Dabei konnte sie die drei Silberscheiben, von denen Merlins Stern zuoberst lag, noch nicht einmal wirklich berührt haben.
Stygia sprang auf. Sekundenlang glaubte Zamorra, in ihrem Gesicht Verwirrung zu lesen. Aber das konnte eine Täuschung sein. Immerhin hatte er selbst noch an den Einwirkungen des magischen Schlages zu arbeiten. Merlins Stern hatte ihn
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