0509 - Ein Gehängter kehrt zurück
Arme. »Wir waren doch alle mal Kinder. Das große Abenteuer hat gelockt, versteht ihr? Was haben wir nicht alles für einen Unsinn gemacht?«
»Und wie!« bestätigte Bill.
»Fassen wir zusammen«, sagte ich. »Meiner Ansicht nach kann es nur so gewesen sein. Johnny und Benny haben sich verabredet. Benny kam mit der Leiter, so daß Johnny bequem aus dem Fenster klettern konnte. Dann sind sie losgegangen.«
»Und weshalb kehren sie nicht zurück?«
Bill legte eine Hand um Sheilas Schulter. »Das werden wir herausbekommen, ich schwöre es.«
»Hoffentlich ist es nicht zu spät.«
»Deshalb fangen wir auch gleich mit der Suche an!« entschied ich.
Als hätte Nadine meine Worte genau verstanden, drehte sich die Wölfin um und huschte durch die offenstehende Tür aus dem Raum…
***
Mrs. Miller hatte es sich nicht nehmen lassen und war ebenfalls mit uns gegangen. Sie wollte uns, wenn es nötig war, Erklärungen zu gewissen Dingen geben.
Nadine hatte Johnnys Spur aufgenommen. Die Wölfin lief manchmal sehr schnell, entschwand auch unseren Blicken, kehrte immer wieder zurück und sorgte dafür, daß wir nicht zu weit hinter ihr blieben.
Eine normale Straße hatten wir überquert. Was danach folgte, waren nicht mehr als schmale Feldwege oder Pfade, die sich schlangengleich durch das Gelände wanden.
Auch sie verließen wir bald und tauchten ein in den dichten Talbewuchs. Der Wald war in dieser Umgebung dichter vertreten.
Vor uns sahen wir ihn wie eine dunkle Mauer, auf die Nadine zuhetzte.
Mrs. Miller blieb plötzlich stehen. »Ich glaube zu wissen, wo es hingeht.«
Wir schauten sie gespannt an.
»Zur alten Abtei. Tresco Abbey.«
»Hier hat es ein Kloster gegeben?« fragte ich.
»Ja, das steht auch heute noch. Das alte Gründerhaus ist nicht mehr bewohnt. Dafür andere Häuser allerdings. Nur liegen sie mehr als eine halbe Meile entfernt. Die Felder dazwischen und auch die kleinen Seen haben früher zum Kloster gehört. Jetzt befindet sich in den übrigen Gebäuden eine Bio-Farm, die von sehr engagierten jungen Menschen betrieben wird.«
»Und das Haupthaus selbst ist nicht bewohnt?« erkundigte ich mich noch einmal.
»Nein.«
»Weshalb nicht?« fragte Bill.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen, Mr. Conolly. Möglicherweise liegt es zu weit entfernt.«
Wir nahmen es hin und gingen weiter. Wieder kehrte Nadine zurück. Sie blieb kurz vor uns stehen, hob und senkte den Kopf, bevor sie sich umdrehte und die Strecke wieder zurücklief.
Wald, Unterholz und Buschwerk wuchsen dichter zusammen.
Wir schritten durch sehr hohes Gras. Der Boden war viel weicher als auf den höheren Stellen der Insel, wo das Gelände oft eine scharfe Felskruste aufwies.
Der Wind brachte auch einen ungewöhnlichen Geruch mit. Es stank nach brakigem Wasser.
»Das ist der Teich«, sagte Mrs. Miller.
»Welcher Teich?«
»Er liegt vor dem Kloster, ist nicht sehr groß und in heißen Sommern fast ausgetrocknet.«
Es war eine normale Antwort, aber Sheila drängte sich an uns. Sie faßte Bill an. »Glaubst du, daß Johnny in dem Teich ertrunken sein könnte?«
Bill blickte seine Frau an. Sheila trug Jeans und einen dünnen Pullover. Das Haar hatte sie hochgesteckt. Es bildete an der Rückseite des Kopfes einen kurzen Pferdeschwanz, der von einem gelben Band zusammengehalten wurde.
»Nein, er kann doch schwimmen.«
»Ich weiß nicht. Der Teich ist mir nicht geheuer.«
»Aber Sheila«, sagte Christiane Miller. »Fürchten Sie sich vor Fröschen?«
»Das nicht.«
»Eben. Diese Tiere leben in dem kleinen Biotop.«
Wir brauchten nicht mehr lange zu gehen, bis an der rechten Seite das Haus erschien – die alte Abtei.
Ohne uns abgesprochen zu haben, blieben wir stehen. Auch bei Tageslicht und Sonnenschein wirkte es düster. Seine Fassade war glatt und doch an einigen Stellen abgeblättert. Hohe Fenster, Vorbauten und langgezogene Erker gaben diesen gewaltigen und düsteren Eindruck wider. Es wirkte abweisend, und selbst die Scheiben hatten sich in der Farbe der der Hausfront angepaßt.
Das Haus war ein Klotz. Kantig, eckig und mit einem Dach versehen, das man eigentlich nicht als solches ansehen konnte, weil auch dort Aufbauten und Gauben ineinander verschachtelt standen.
Vor dem Haus lag der Teich.
Er war tatsächlich nicht groß. Ein rundes Gewässer, an den Rändern mit Schilf und hohem Gras bewachsen. Der Teich paßte zum Haus. Sein Wasser besaß den gleichen düsteren Farbton wie die Hausfassade. Möglicherweise um eine Idee
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