051 - Die gelbe Schlange
Spiel machen, springt viel mehr für Sie dabei heraus.«
Als der Major wegging, ließ er Stephen Narth unruhig und verwirrt zurück. Zum erstenmal, seit er die Nachricht von der Erbschaft erhalten hatte, fragte er sich, ob er auch wirklich Grund zum Jubeln hatte. Aber Joe Bray war tatsächlich ein reicher Mann gewesen, der Inhaber äußerst wertvoller Konzessionen, wenn alles stimmte, was in der City über ihn geredet wurde. Der alte Mann mußte ungeheuer reich gewesen sein - ein beglückender Gedanke!
Ein Viertel vor eins kam Grahame St. Clay, tadellos im grauen Cut und Zylinder. Narth hatte Zeit, ihn näher zu betrachten. Er war gerade ein bißchen zu elegant, die Diamantnadel in seiner Krawatte war gerade ein wenig zu groß. Er bevorzugte ein schweres Parfüm, und als er sein seidenes Taschentuch zog, wurde die Atmosphäre im Büro unerträglich für einen Mann, der gesunde Luft gewöhnt war.
»Sie haben meinen Brief erhalten?« Es war der Ton eines Vorgesetzten zu seinem Untergebenen.
Mr. Narth ärgerte sich. Das Benehmen dieses Mannes war aufreizend und beleidigend. St. Clay warf einen flüchtigen Blick auf den Schreibtisch, an dem Narth saß, las kühl den Brief, den dieser soeben geschrieben hatte, und setzte sich ohne Aufforderung in einen Sessel.
»Wird dieses Mädchen kommen?«
»Miss Bray wird mit uns lunchen«, entgegnete Narth ein wenig steif, und etwas in seiner Stimme mußte St. Clay gewarnt haben, denn er lachte.
»Mein lieber Mann, Sie mißtrauen mir. Aber nicht doch! Wir haben uns doch gerade erst kennengelernt! Sehen Sie, Narth, in meinem Vaterland bin ich eine große Persönlichkeit, und ich habe eben die Gewohnheiten eines großen Herrn! Sie müssen Nachsicht üben.«
Ein Klopfen war vernehmbar. Perkins, der Sekretär, kam herein und sah Stephen schweigend an.
Stephen fragte: »Wer ist es - Miss Bray?«
»Ja, Sir«, sagte Perkins. »Soll sie noch warten?«
»Nein, bitten Sie sie herein.«
Zum erstenmal in seinem Leben fiel es Stephen Narth auf, daß Joan ein sehr hübsches Mädchen war. Gewiß hatte sie auch noch nie so reizend ausgesehen wie heute, eine schlanke Erscheinung in einem blauen Kostüm und einem kleinen roten Hut. Diese Kleidung schien speziell entworfen, um ihren zarten Teint zur Geltung zu bringen und ihren blauen Augen eine besondere Tiefe zu verleihen.
Der Eindruck, den sie auf den Chinesen machte, war bemerkenswert. Er starrte sie an, bis sie errötete. Dann sagte Narth:
»Dies ist Mr. St. Clay.«
Gerade wollte Joan dem Fremden die Hand geben, als die Tür zum Privatbüro plötzlich aufflog und ein junger Mann hereinkam. Er war sehr gut gekleidet - das war der erste Eindruck, den Joan von ihm hatte. Sein Anzug konnte nur in der Sackville Street angefertigt worden sein. Er war jung, aber kein Jüngling mehr. Ein Hauch von Grau färbte seine Schläfen und dünne Linien zeigten sich an seinen Augen. In die Falten einer Toga gehüllt, hätte er mit seinem Adlerprofil und seinem entschlossenen Gesichtsausdruck ein Senator des alten Rom sein können.
Er blieb in der offenen Tür stehen und blickte von St. Clay zu Narth - für das junge Mädchen hatte er keinen Blick. Für einen Augenblick war Narth bei dem plötzlichen Einbruch in sein Privatbüro wie vom Donner gerührt.
»Was wünschen Sie?« fragte er. »Sie haben sich geirrt. Dies ist ein Privatbüro -«
»Ich habe mich durchaus nicht geirrt«, erklärte der Fremde. Beim Klang dieser Stimme drehte Joan sich zu ihm und starrte ihn an, außer sich vor Staunen. »Der Irrtum ist ganz auf Ihrer Seite, Narth, und noch nie haben Sie einen größeren Fehler begangen als den, meine zukünftige Frau an einen Tisch mit diesem verdammten, mörderischen Chinesen einzuladen! Fing Su!«
Mr. St. Clay, Bachelor of Arts, versteckte mechanisch seine Hände.
»Exzellenz!« antwortete er in der Mandarinsprache.
Joan seufzte verwirrt. Der bestaussehende Mann Chinas hatte seine Wirkung auf sie nicht verfehlt - denn der Fremde in der Tür war Clifford Lynne!
10
Fing Sus Bestürzung war nur von kürzester Dauer. Die zusammengelegten Arme sanken wieder herunter, die geneigte Gestalt richtete sich plötzlich gerade auf, und er wurde wieder zu Grahame St. Clay, dem Europäer. In seinen Augen funkelte ein bösartiges Feuer und ließ ihn wahrhaft schrecklich erscheinen. Doch nur für den Bruchteil einer Sekunde erhob das Ungeheuer in ihm das Haupt; das Feuer erstarb, er war wieder der Gentleman.
»Diese Zudringlichkeit ist wahrhaft
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