051 - Die gelbe Schlange
das weitere Verhalten von Mr. Narth geäußert hatte.
»Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen - seine eigenen Schwierigkeiten werden ihm genug zu tun geben«, sagte Lynne grimmig.
Es gab aber noch etwas, worüber Joan unbedingt mit Clifford sprechen wollte. Er hatte einen Wagen bestellt, um sie nach Sunningdale zu begleiten, und das gab ihr die geeignete Möglichkeit für diese Unterhaltung.
»Mr. Lynne -« Sie zögerte. »Diese absurde Heirat -«
»Nicht absurder als andere Ehen«, meinte er gelassen, »und wirklich nicht so absurd, wie es den Anschein hatte, als mein Bart noch rauschte. Wollen Sie vielleicht aufgeben?«
Verständlicherweise ärgerte Joan sich über die Hoffnungsfreudigkeit, die aus seinem Ton klang.
»Natürlich gebe ich nicht auf, ich habe es doch versprochen!«
»Und warum?« forschte er.
Ihr stieg das Blut in die Wangen.
»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
»Warum haben Sie so bereitwillig Ihr Einverständnis erklärt? Das hat mich ziemlich erschüttert«, stellte Clifford fest. »Sie gehören doch nicht zu der Sorte von Mädchen, die den ersten Mann nehmen, der ihnen über den Weg läuft. Sie sind doch völlig anders als die dicke Mabel oder die überspannte Letty! Was für einen Druck übt also Narth auf Sie aus?«
Joan schwieg.
»Er erpreßt Sie doch, nicht wahr? Er hat zu Ihnen gesagt: »Du wirst diesen sonderbaren Vogel heiraten oder ich werde« also, was hat er gesagt?«
Sie schüttelte nur den Kopf, aber er blieb hartnäckig bei seiner Frage, und seine kühnen Augen forschten in ihrem Gesicht.
»Als ich hierher kam, war ich bereit, irgend jemand zu heiraten. Aber auf Sie war ich nicht gefaßt!«
»Und warum haben Sie sich bereit gefunden, irgend jemand zu heiraten?« forderte Joan ihn heraus. Ein kleines Lächeln zeigte sich in seinen Augen.
»Ihre Frage ist berechtigt«, gab er zu, »und ich werde sie Ihnen jetzt beantworten. Ich mochte den alten Joe sehr gern, er hat mir zweimal das Leben gerettet. Er war der netteste, phantastischste, romantischste alte Bursche, der je gelebt hat, und er war förmlich versessen darauf, daß ich jemand aus seiner Familie heiraten sollte. Ich hatte keine Ahnung davon, bis er mir sagte, daß er bald sterben werde - ich konnte es nicht glauben, aber dieser verrückte Doktor aus Kanton hat die Diagnose bestätigt. Joe beschwor mich, er könne nur dann ruhig sterben, wenn die Linie durch mich weitergeführt würde, wie er es nannte - obwohl, Gott weiß, niemand in der Familie ist, mit dem es wert wäre, die Linie fortzusetzen - mit Ausnahme von Ihnen natürlich!« fügte er schnell hinzu.
»Und Sie haben es ihm versprochen?« fragte Joan.
Er nickte.
»Ich war nicht etwa betrunken, als ich es versprach. Ich habe das scheußliche Gefühl, daß ich zu sentimental bin. Joe starb seltsamerweise in Kanton - von dort kam das Telegramm. Das sieht Joe ähnlich, in Kanton zu sterben!« erklärte er verbittert. »Nicht einmal normal von der Bühne abtreten konnte er - in Siang-Kiang!«
Joan war erschüttert über seine Kaltschnäuzigkeit.
»Und was erwarten Sie nun von mir, nachdem ich jetzt weiß, daß Sie lediglich heiraten, um ein Versprechen einzulösen?«
»Sie werden meinen Freimut nicht ausnutzen und sich davonmachen wollen«, knurrte er. »Ich habe Joes Testament erst gesehen, als ich in England angekommen bin, und da war es schon zu spät, es zu ändern. Narth bekommt eine Million Pfund, wenn wir noch vor Ende des Jahres heiraten!«
»So viel?« rief sie bestürzt aus.
Er war erstaunt.
»Ich dachte, Sie würden sagen ›Ist das alles?‹. In Wirklichkeit handelt es sich um mehr als nur eine Million. Die Firma ist enorm reich.«
Es folgte eine Pause, in der beide zu sehr mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt waren, um zu sprechen. Schließlich begann Joan:
»Sie waren sein Geschäftsführer, nicht wahr, Mr. Lynne?«
»Meine Freunde nennen mich Cliff«, gab er ihr zu verstehen, »aber wenn Ihnen das peinlich ist, können Sie auch Clifford zu mir sagen. Ja, ich habe Joes Geschäfte geführt.«
Er äußerte sich nicht weiter, und das Schweigen wurde so drückend, daß Joan froh war, als der Wagen vor der Tür von Sunm Lodge anhielt. Letty, die auf dem Rasen Croquet gespielt hatte, kam mit dem Hammer in der Hand herbei und zog die Augenbrauen hoch.
»Ich dachte, du wolltest in der Stadt lunchen?« fragte sie mißbilligend. »Wirklich, es ist schrecklich unangenehm, daß du schon wiederkommst! Heute nachmittag wollen uns
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