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051 - Die gelbe Schlange

051 - Die gelbe Schlange

Titel: 051 - Die gelbe Schlange Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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unerhört«, stieß er in einem sonderbaren, abgerissenen Ton hervor, der unter anderen Umständen lächerlich gewirkt hätte.
    Clifford Lynnes Augen wanderten über den weißgedeckten Tisch mit den Silberbestecken, Gläsern und Blumen, dann sah er das Mädchen an und lächelte. Und dieser fremde Mann hatte das schönste Lächeln, das Joan je gesehen hatte.
    »Wenn Sie meine Gegenwart eine Mahlzeit lang ertragen können, wäre es mir eine Ehre, Sie dazu einzuladen«, sagte er.
    Joan nickte. Sie war erschreckt und verwirrt, doch ungemein interessiert. Diese beiden Männer mußten unerbittliche, unbarmherzige Feinde sein - und jetzt erkannte Joan ganz plötzlich die Bewandtnis, die es mit der Schlange in Sunningdale gehabt hatte. Natürlich war St. Clay der Absender. Dieser aalglatte Chinese, den Clifford Lynne soeben Fing Su genannt hatte. Joan wurde blaß und rückte näher an Clifford heran.
    »Mr. Narth!« Fing Su konnte nur mit Mühe sprechen. Seine Stimme war heiser vor Wut. »Sie haben mich eingeladen, mit dieser Dame den Lunch einzunehmen. Sie können unter keinen Umständen dulden...« Er bekam keine Luft mehr.
    Stephen Narth hatte das Gefühl, seine Autorität geltend machen zu müssen.
    »Joan, du wirst hierbleiben!« befahl er.
    Mit Joan glaubte er leicht fertig werden zu können, doch in welchem Ton sollte er zu dem Mann an der Tür sprechen? Es war schon nicht einfach gewesen, mit der Vogelscheuche in Sunningdale fertig zu werden, wieviel schwieriger aber mußte'es sein, sich gegen diesen kühlen Gentleman durchzusetzen.
    »Hm - Mr. Lynne -«, begann er liebenswürdig. »Es ist mir sehr peinlich - ich hatte Joan gebeten, mit unserem Freund zu lunchen -.«
    »Vielleicht Ihr Freund«, unterbrach ihn Lynne, »aber nicht meiner. Wie können Sie es wagen, meine zukünftige Frau zusammen mit einem Verbrecher einzuladen, der Mord für ein erlaubtes Mittel hält, seine Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen!«
    Lynne winkte Joan zu sich, und sie folgte ihm sofort bereitwillig.
    Mr. Narth brachte nicht den Mut auf, seinen Ärger laut werden zu lassen, und Major Spedwell, der in diesem Augenblick den Raum betreten hatte, betrachtete ihn belustigt.
    Clifford trat einen Schritt beiseite, um Joan in das Vorzimmer zu lassen, dann wandte er sich zurück.
    »Sie drei spielen mit dem Feuer - und einer von Ihnen spielt mit dem Teufel!« Er blickte den Major an. »Spedwell, Sie waren einmal Offizier in der Britischen Armee und vermutlich sind in Ihnen noch verkümmerte Überbleibsel eines Gentlemans vorhanden. Aber ich will nicht daran appellieren, sondern an Ihren Selbsterhaltungstrieb. Sie marschieren geradewegs auf den Galgen zu; der Weg dauert nur fünfzig Sekunden - von der Todeszelle zur ewigen Verdammnis!«
    Ohne Narth eines Blickes zu würdigen, streckte er dann seinen langen Finger aus und deutete auf den Chinesen.
    »Fing Su, ich warne Sie jetzt zum drittenmal! Der Bund der ›Freudigen Hände‹ wird bald einen anderen Führer brauchen, und Ihre feine Fabrik wird sich in Rauch auflösen, und Sie mit ihr!«
    Dann drehte er sich um, ging rasch hinaus und schlug die Tür hinter sich zu.
    Joan wartete im Gang auf ihn. Sie war bestürzt und aufgeregt, aber sie vertraute diesem fremden Mann, der so unerwartet und gewaltsam in ihr Leben getreten war. Sie wandte sich ihm zu und erwiderte sein Lächeln.
    »Gehen wir ins Ritz«, sagte er kurz. »Ich bin sehr hungrig, seit vier Uhr früh bin ich schon auf den Beinen.«
    Er sagte kein Wort, als sie im Fahrstuhl nach unten fuhren, und auch Joan schwieg. Erst als sie im Taxi durch den dichten Straßenverkehr nach Mansion House fuhren, fragte sie:
    »Wer ist eigentlich dieser Fing Su?«
    Lynne schreckte zusammen, als hätte sie ihn aus einem Traum gerissen.
    »Fing Su?« meinte er leichthin. »Ach, nur eben ein Chinese, der Sohn eines alten chinesischen Unternehmers, der kein schlechter Kerl war.«
    »Er spricht wie ein gebildeter Europäer«, stellte Joan fest.
    Clifford nickte.
    »Er hat den ›Bachelor of Arts‹ in Oxford gemacht, der alte Joe Bray hat ihn dahin geschickt.« Er lächelte über ihren erstaunten Ausruf. »Joe hat manche merkwürdigen, gutgemeinten und verrückten Sachen angestellt, und so ein Streich war auch, daß er Fing Su nach Oxford gehen ließ.«
    Später konnte Joan sich nicht mehr genau erinnern, was alles beim Lunch geschehen war, sie wußte nur noch, daß er fast die ganze Zeit geredet, und daß sie gegen Ende der Mahlzeit ihre Befürchtungen über

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