051 - Die gelbe Schlange
erklären -«, fing Joe wieder an.
»Hier gibt es gar nichts zu erklären«, unterbrach ihn Clifford, und dabei war ein Funkeln in seinen Augen, wie Joan es schon einmal gesehen hatte.
»Dieser Joe Bray ist ein Romantiker!« Er zeigte anklagend mit dem Finger auf den demütigen Freund. »Sein Verstand reicht nur aus, zu träumen. Und einer seiner verrückten Träume war, daß ich in seine Familie einheiraten sollte. Um mich auch ja zu diesem verzweifelten Schritt zu überreden, erfand er die Lüge von seinem baldigen Ableben. Unterstützt wurde er dabei -wie er mir gestanden hat, durch einen trunksüchtigen Arzt in Kanton, der für zwei Gläser Whisky jeden für verrückt erklären würde.«
»Laß mich doch erklären -«, brüllte Joe dazwischen.
Ohne im mindesten darauf zu achten, fuhr Clifford fort: »In dem Augenblick, wo er mich auf dem Weg nach England wußte, schlich er sich mit seinem Spießgesellen, dem Doktor, nach Kanton und folgte mir mit dem nächsten Schiff hierher. Der Arzt hatte Anweisung, das Telegramm mit der Todesnachricht abzuschicken, sobald Joe in England angekommen war.«
Jetzt verteidigte Joe Bray sich leidenschaftlich.
»Du hättest doch niemals geheiratet, wenn ich das nicht eingefädelt hätte!« schrie er. »Du hast ja ein Herz von Stein, Cliff! Es blieb mir gar nichts anderes übrig, als zu sterben, damit du meinen Wunsch erfülltest. Ich habe gedacht, dann komme ich zur Hochzeit und überrasche euch alle -«
»Das gehört sich nicht!« wies Clifford ihn streng zurecht, »du bist ein Mann, der sich nicht benehmen kann!«
Als er sich zu Joan wandte, mußte er sich auf die Lippen beißen, um nicht zu lachen.
»Ich hatte schon Verdacht geschöpft, als ich keine Todesnachricht in den englischen Zeitungen fand. Schließlich hat Joe Bray einen bekannten Namen in der gesamten Geschäftswelt, ganz besonders natürlich in China. Da wäre doch das mindeste ein Nachruf unseres Spezialkorrespondenten in Kanton gewesen. Statt dessen fand ich im North China Herald eine Notiz, daß Mr. Bray eine Kabinenflucht auf der Kara Maru belegt hat -«
»Auf den Namen Miller«, murmelte Joe.
»Ich weiß nicht, welchen Namen du gebraucht hast, aber einer der Reporter hat gesehen, wie dein Gepäck an Bord gebracht wurde und hat dich auf der Straße erkannt. Deine Verkleidung war nicht so gut, wie du dir eingebildet hast.«
Joe Bray stieß einen tiefen Seufzer aus. Von Zeit zu Zeit hatte er das Mädchen verstohlen von der Seite her angesehen, dann aber riß er sich zusammen und blickte ihr gerade in die Augen.
»Ich muß sagen«, stieß er begeistert hervor, »ich muß sagen, Cliff, du hast dir das Beste vom Besten herausgesucht. Sie sieht aus wie meine Schwester Elizabeth, die nun schon seit achtundzwanzig Jahren tot ist - und sie hat dieselbe Nase wie mein Bruder George -«
»Versuche nicht, mich mit deinen.Personalbeschreibungen abzulenken«, unterbrach ihn Clifford. »Du bist ein schlimmer alter Mann!«
»Schlau, nicht schlimm!« verteidigte Joe sich. »Laß mich doch erklären -«
Er schwieg und wartete anscheinend auf eine Unterbrechung, als diese aber nicht kam, hatte er den Faden verloren.
»Ich habe in meinem Leben eine Menge Enttäuschungen erlebt, junge Dame«, beklagte er sich. »Nehmen Sie zum Beispiel Fing Su! Was habe ich nicht alles für diesen Jungen getan! Als Cliff mir erzählte, was für ein übler Bursche er ist, hätten Sie mich mit einer Feder umwerfen können! Ich war immer nett und großzügig zu ihm -«
Während er weitschweifig dieses Thema weiter behandelte, arbeiteten Joans Gedanken unaufhörlich. Daß Joe Bray lebte, bedeutete das Ende aller Pläne, die Stephen Narth geschmiedet hatte. Sie überlegte, was für Konsequenzen für sie selbst daraus entstehen würden. Bestürzt erkannte sie, daß damit auch der Grund für ihre Heirat entfiel, und daß diese Tatsache sie sehr unglücklich machte. Sie sah Cliff an und senkte sogleich wieder den Blick, aber er hatte ihre Gedanken schon erraten.
»... Als mir klar wurde, was ich getan hatte, sagte ich zu ihm, ›Cliff, es tut mir leid‹. Habe ich das gesagt oder nicht, Cliff? Ich sagte: ›Wenn ich gewußt hätte, was ich jetzt weiß, hätte ich ihm niemals die Gründeraktien gegeben!‹ Habe ich das gesagt oder nicht, Cliff? Zu denken, daß dieser Hund - ich würde ihn noch ganz anders nennen, wenn Sie nicht hier wären, junge Dame -, daß dieser Hund so wahnsinnige Ideen in seinem Kopf hat!«
Joan begann zu
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