051 - Die gelbe Schlange
sein nach heute abend? Er kannte den Mann, mit dem er Geschäfte machte, genau. Fing Su zahlte gut, das war aber auch alles. In der letzten Zeit hatte er an gewissen Anzeichen bemerkt, daß er nicht mehr in Gunst bei seinem Chef stand. Es gab da gewisse Untertöne in der Stimme, einen zufällig aufgefangenen Blick zwischen Fing Su und seinem gelben Assistenten - Major Spedwell war ein gerissener, scharfsichtiger Mann, der ein feines Gefühl für unausgesprochene Dinge hatte.
»Und Leggat?« fragte er.
»Leggat kann zum Teufel gehen - ich bin fertig mit ihm. Ich hatte immer geahnt, daß er unzuverlässig ist, aber endlich wissen wir es.«
»Haben Sie ihn aufgefordert, heute abend an der Loge teilzunehmen?« erkundigte sich Spedwell.
»Nein«, war Fing Sus kurze Antwort.
Dann aber, als ob ihm bewußt geworden wäre, daß seine brüske Art den Verdacht des anderen hervorrufen könnte, fuhr er fort:
»Leggat ist nicht länger tragbar. Er ist ein Trinker und darum gefährlich. Aber Sie, mein lieber Major, sind mir unentbehrlich.
Ich wüßte gar nicht, was ich ohne Sie anfangen sollte. Sind Sie mit der Konstruktion der kleinen Landmine fertig?«
Das war nichts weiter als ein Versuch, ihn abzulenken, und der Major war auf der Hut.
»Ah! Was für eine Idee!« rief Fing Su überschwenglich und rollte bewundernd die schwarzen Augen. »Sie sind ein Genie! Einen solchen Offizier könnte ich niemals entbehren!«
Spedwell wußte nur zu genau, daß nichts Geniales an seiner Landmine war - es war eine einfache Zeitbombe. Sie kam zur Explosion, wenn eine Säure sich zur Bleikammer durchfraß und sich dort mit einer anderen vermischte. Jeder Pionier kannte das! Und Fing Sus Schmeichelei ließ ihn nachdenklich werden.
Major Spedwell hatte eine kleine Wohnung in Bloomsbury. Nach einem technischen Studium war er zur Artillerie gegangen, aber alle seine vorhandenen Fähigkeiten wurden noch übertroffen von dem ihm innewohnenden unfehlbaren Instinkt. Und der zeigte ihm jetzt rotes Licht: Gefahr im Verzug! Spedwell wußte, daß eine gefährliche Schicksalswendung bevorstand, und er hatte sich damit abgefunden, daß diese Wendung nicht zum Guten war.
In den wenigen Stunden, die dem Major noch in seiner Wohnung blieben, bevor er sich mit Stephen Narth traf, nahm er Bleistift und Papier und schrieb systematisch alle Möglichkeiten auf, die sich aus dieser Lage entwickeln konnten. Dann suchte er eine Lösung. Allmählich sah er klarer und fand einen Ausweg, der zwar nicht alles wiedergutmachen konnte, aber doch die Möglichkeit bot, wenigstens eine Person zu retten, vielleicht auch zwei - ihn natürlich eingeschlossen.
Spedwell verbrannte sofort das Papier im Kamin und ging dann in den kleinen Nebenraum, der ihm als Werkstatt diente. Dort arbeitete er eine Stunde lang fieberhaft. Um halb sieben trug er eine Kiste und einen schweren Rucksack auf die Straße, setzte beides mit größter Vorsicht in seinen Wagen und fuhr zum Ratcliff Highway. Durch die engen, verwinkelten Gassen lenkte er sein Auto zum Flußufer. Glücklicherweise fand er sofort einen Bootsmann, der ihn gegen eine angemessene Entschädigung zu einem der schwarzen Schiffe brachte, die im Pool vor Anker lagen. Ein Chinese mit undurchdringlichem Gesicht grüßte ihn vom Fallreep und bot sich an, das Gepäck an Bord zu tragen, doch der Major lehnte ab.
Kapitän und Zahlmeister des Schiffes waren Schwarze; der Zahlmeister war ein gutmütiger Mensch, dem Spedwell einmal das Leben gerettet hatte. Damals hatte der Major Fing Su daran gehindert, seine Wut an dem schwarzen Offizier auszulassen, und dadurch wurde viel Blutvergießen vermieden. Sofort, als Spedwell an Bord kam, ließ er den Zahlmeister rufen.
»Fing Su braucht nicht zu wissen, daß ich hiergewesen bin«, sagte er. »Ich habe hier erwas, das ich mitnehmen will.«
»Kommen Sie denn auch mit, Herr Major?« erkundigte sich der Zahlmeister.
»Vielleicht, ich weiß es noch nicht genau. Die Hauptsache ist, daß niemand erfährt, daß ich diese Sachen an Bord gebracht habe.«
Der Zahlmeister führte ihn in eine große Kabine auf dem Vorschiff.
»Seit wann wird denn dieser Raum wieder für Passagiere benutzt?« runzelte Spedwell die Stirn.
»Er ist noch nie dazu benutzt worden«, antwortete der schwarze Offizier, »aber Fing Su hat befohlen, daß alles für einen Passagier hergerichtet werden soll.«
»Doch nicht für ihn, er hat ja die Kapitänskabine beansprucht. Wer soll die Fahrt denn noch mitmachen?«
Das
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