051 - Die gelbe Schlange
wußte der Zahlmeister auch nicht. Er zeigte Spedwell einen Behälter, in dem er sein Gepäck unterbringen konnte. Es war eine ziemlich kleine schwarze Truhe mit zwei Krampen für Vorhängeschlösser, die an der Wand befestigt war. Spedwell setzte die Gepäckstücke vorsichtig an der Erde nieder.
»Ich hole die Vorhängeschlösser für Sie«, versprach der Offizier und verschwand.
Seine Abwesenheit war Spedwell sehr erwünscht, denn er mußte noch gewisse heikle Verrichtungen vornehmen, bei denen der Zahlmeister nicht zusehen sollte. Als das erledigt war, füllte er die Truhe mit quadratischen braunen Kuchen auf, die er aus seinem Rucksack nahm. Sie waren in dem zur Verfügung stehenden Raum kaum alle unterzubringen. Gerade hatte er seine Arbeit vollendet und die Truhe geschlossen, als der Offizier zurückkehrte.
Spedwell richtete sich auf und klopfte den Staub von seinen Knien.
»Hören Sie jetzt gut zu, Haki. Wer bedient die Funkstation?«
»Entweder ich selbst oder einer meiner Chinesenboys. Die Anlage befindet sich in meiner Kabine. Weshalb fragen Sie?«
Spedwell überreichte ihm den Schlüssel für die Truhe.
»Stecken Sie ihn ein und lassen Sie ihn niemals herumliegen! Wenn Sie einen Funkspruch von mir bekommen, der besagt: ›Alles in Ordnung!‹, nehmen Sie den ganzen Inhalt aus der Truhe und werfen ihn über Bord. Sie werden meine Botschaft wahrscheinlich erhalten, noch ehe Sie den Kanal verlassen. Haben Sie alles richtig verstanden?«
Haki nickte verblüfft. »Ich verstehe zwar den Zusammenhang nicht, aber ich werde das tun, was Sie mir gesagt haben, Herr Major. Wollen Sie etwas herausschmuggeln?«
Aber Spedwell gab keine weiteren Erklärungen. Er sagte Haki auch nicht, daß er unter gewissen Umständen einen ganz anderen Funkspruch erhalten würde. Dazu war noch Zeit genug, wenn es wirklich zur Krise kam.
»Aber angenommen, Sie reisen mit uns?« forschte Haki.
»In dem Fall«, erklärte Spedwell mit verzerrtem Lächeln, »kann ich Ihnen die Botschaft ins Ohr flüstern - wenn ich lebend reise!«
31
Joe Bray traf kurz nach zehn Uhr in Mayfair ein. Die Regenwolken hatten den Himmel verdüstert, und so hatte Joe die Dunkelheit ausnutzen können, um früher von Sunningdale wegzufahren. Joe war aufs äußerste gespannt und erregt, denn diese Nacht versprach ein Abenteuer, und Abenteuer liebte Joe mehr als alles andere.
»Gute Idee von dir, Cliff, mich von der Rückseite her ins Haus kommen zu lassen, so konnte mich niemand sehen«, meinte er anerkennend.
»Die Mühe hätte ich dir ersparen können«, brummte Clifford, »Fing Su weiß, daß du am Leben bist.«
Joe machte ein langes Gesicht. Diese Neuigkeit ließ ein Geheimnis platzen!
»Ich habe mir einen Mann in Narths Büro verpflichtet, Perkins heißt er«, berichtete Clifford. »Und es hat mich mehr Zeit als Geld gekostet, ihn auf meine Seite zu bringen - er gehört noch zu der loyalen Sorte von Menschen. - Sind eigentlich die Kriminalbeamten angekommen?«
Joe nickte.
»Ich war ein bißchen enttäuscht, ganz gewöhnliche Leute sie sehen aus wie du und ich! Kein Mensch würde sie für Kriminalbeamte halten!«
»Das ist doch nur ein Vorteil«, fand Clifford. Und nach einem Augenblick des Nachdenkens fragte er: »Hast du dich noch einmal mit Joan in Verbindung gesetzt?«
»Nein, du hattest es mir doch verboten!«
»Weißt du wenigstens, ob sie zurückgekommen ist?« Cliff seufzte. »Na, jetzt brauche ich mir wenigstens keine großen Sorgen mehr um sie zu machen. Scotland Yard hat einen Mann ganz allein für ihre Bewachung abgestellt. Wahrscheinlich wird er später seinen Bericht durchgeben.«
»Wie hast du es eigentlich fertiggebracht, Cliff, daß Scotland Yard mitmacht?« fragte Joe neugierig. »Und warum haben sie Fing Su dann noch nicht verhaftet?«
»Weil sie noch nicht genügend Beweismaterial in Händen haben, um überhaupt jemand in dieser Angelegenheit festzunehmen«, entgegnete Clifford kurz.
Ihm war jetzt zum Bewußtsein gekommen, wie heftig der Kampf mit den unsichtbaren Streitkräften des Chinesen sein würde.
»Du wirst übrigens bald imstande sein, deine Neugierde in bezug auf Scotland Yard zu befriedigen. Heute abend kommt Inspektor Willing zu mir und wird mit uns den Strom hinunterfahren. Kannst du eigentlich schwimmen, Joe?«
»Ich kann alles, was von einem richtigen Mann erwartet wird«, rief Joe nachdrücklich. »Schlag dir bloß den Gedanken aus dem Kopf, daß ich schon zum alten Eisen gehöre! Ein Mann von fünfzig
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