051 - Die Hexe und ihr Henker
von Vicky Bonneys zuckender Halsschlagader entfernt. Mehr und mehr erlahmte der Widerstand des unglücklichen Opfers.
Vicky spürte die Lippen der Blutlady an ihrem Hals und erwartete mit zusammengekniffenen Augen den stechenden Schmerz, nach dem es keine Rettung mehr für sie geben würde.
Als die nadelspitzen Zähne die oberste Schicht der Haut ritzten, brüllte die Vampirin plötzlich auf. Ihre Augen weiteten sich in panischem Entsetzen. Sie ließ von ihrem Opfer ab, während sich auf ihrem fahlen Gesicht Schmerz und Ungläubigkeit spiegelten.
Vicky Bonney konnte ihr Glück kaum fassen. Gerettet! Sie war gerettet! Aber wieso? Vor Aufregung zitternd lehnte sie an der kalten Wand.
Und als Lady Agnes einen stolpernden Schritt zur Seite machte, erblickte Vicky Bonney ihren Lebensretter.
Boram war es, der Nessel-Vampir!
***
Boram brauchte die Gittertür nicht zu öffnen, um in die Familiengruft zu gelangen. Da er lediglich aus dampfendem Nesselgift bestand, schwebte er ungehindert und lautlos durch das Gitter und griff den weiblichen Blutsauger an.
Sein erster Schlag entzog der Blutlady einen Teil ihrer Energie. Sie wich zur Seite, als der weiße Vampir zum zweiten Schlag ausholte, war sie nicht mehr Jägerin, sondern Gejagte.
Nun war für sie die Frage aktuell, wohin sie fliehen konnte. Daß sie in ihrem Sarkophag vor Boram nicht sicher war, stand fest, dennoch versuchte sie den steinernen Totenbehälter zu erreichen.
Ihre nackten Füße tappten über den Boden. Boram schnitt ihr den Weg ab. Da sie wußte, wie schmerzhaft der Kontakt mit ihm war, wich sie ihm aus, doch seine Hand traf trotzdem ihr Gesicht, und sie fiel heulend gegen die Mauer.
Der Nessel-Vampir sprang sie an. Als er sie umarmte, schrie sie wie auf der Folter, und Vicky Bonney konnte erkennen, wie die Blutsaugerin kraftlos wurde.
Sie hielt sich nur noch mühsam auf den Beinen. Ständig ging ihre Energie auf den Nessel-Vampir über, und als sie zum Stehen zu schwach war und schluchzend zusammenbrach, beugte sich der weiße Vampir über sie, schlug ihr die Nesselzähne ins Fleisch und sog die restliche Energie aus ihr heraus.
Ihr Körper wurde durchsichtig und löste sich allmählich auf. Nichts blieb von ihr übrig, abgesehen von dem weißen Totenhemd, das leer auf dem grauen Steinboden lag.
Während Boram mit der Blutlady beschäftigt war, öffnete sich in Vicky Bonneys Nähe eine Geheimtür. Lautlos bewegten sich die schweren Steinquader zur Seite, und ein Mann mit strähnigem Haar und aufgedunsenen Wangen trat unbemerkt ein.
Vicky beobachtete gebannt, wie Boram mit der Blutlady verfuhr. Daß ihr Leben schon wieder gefährdet war, ahnte sie nicht.
Ein nervöses Zucken lief über Farley Walpos Gesicht. Vorsichtig näherte er sich dem blonden Mädchen, das sein nächstes Opfer werden sollte.
***
»Arma!« brüllte der Silberdämon. »Arma, wo bist du?« Er befürchtete, daß das Mädchen den Paviandämonen - wie bereits in der Höhle - in die Hände gefallen war. Vielleicht lebte sie nicht mehr. Metal zerplatzte beinahe vor Wut und Haß.
Er hatte viel auf sich genommen, um Roxane zu entführen. Sollte alles, was er getan hatte, um eine neue Arma zu schaffen, vergeblich gewesen sein?
Wild kämpfte er sich an Mago heran, und er hoffte, daß sich Roxane/Arma in dessen Schutz begeben hatte, doch bei dem Jäger der abtrünnigen Hexen war sie auch nicht.
Entweder war sie tot - oder sie hatte es geschafft, den schwarzen Tempel zu verlassen -, oder man hatte sie zu Tapandaro geschleppt. Welche Vermutung war richtig?
Der Kampf flaute ab, und die Paviandämonen machten Platz, als Tapandaro selbst erschien. Seine Augen versprühten ein zorniges Feuer. Sein Affengesicht verzerrte sich vor Wut, als er Mago und Metal nebeneinander stehen sah.
Auf dem Kopf trug er die Krone, die Mago besitzen wollte, und vor seiner Brust hing das Goldornament, das der Schwarzmagier ebenfalls brauchte.
Der schwarze Umhang wallte von Tapandaros Schultern fast bis auf den Boden. Da er noch dazu alle anderen Paviandämonen weit überragte, war er eine imposante Erscheinung.
Mago sah ihn kampflustig an. Tapandaro wußte, wen er vor sich hatte. Es gab nur einen, der so aussah: Mago, der Schwarzmagier. Es war dem neuen Affenkaiser auch bekannt, daß Mago eine der stärksten Waffen besaß, die jemals für einen Dämon geschmiedet worden waren.
»Du bist auf dieser Welt nicht erwünscht, Mago!« herrschte Tapandaro den Schwarzmagier an.
Dieser lachte überheblich.
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