051 - Duell mit den Ratten
war immer mehr zu der Überzeugung gekommen, daß das Kollegium Isacaaron eine Brutstätte der Dämonen war. Aber sie hatte Don Chapman nichts von ihren Befürchtungen gesagt, damit er und die anderen sich nicht unnötig um sie sorgten. Sie war nun ziemlich sicher, daß mindestens vier der neun verbliebenen Zöglinge Dämonenkinder waren. Allen voran stand natürlich Prosper Fludd. Ihm traute sie es auch zu, daß er Joey Blair auf dem Gewissen hatte. Bisher hatten sich allerdings noch keine wirklich handfesten Verdachtsmomente ergeben. Es waren nur Kleinigkeiten, an denen sie erkannte, daß mit den vier Kindern etwas nicht stimmte und daß es im Internat ganz im allgemeinen nicht mit rechten Dingen zuging.
Sie hatte vier schlaflose Nächte in einer engen, düsteren Kammer im Westflügel des alten Schlosses zugebracht. Manchmal hatte sie fernes Poltern und Rumoren gehört. Dann wieder war ihr so gewesen, als würde hinter den dicken Mauern jemand wimmern und stöhnen.
Letzte Nacht hatte sie ihr Zimmer verlassen, um den unheimlichen Geräuschen zu folgen, doch sie war durch die Korridore geirrt, ohne etwas entdecken zu können. Einmal war das Stöhnen von unten gekommen, dann wieder glaubte sie, die Klagelaute aus verschiedenen anderen Richtungen zu hören.
Als sie verwirrt und unzufrieden in ihr Zimmer zurückkehren wollte, war sie beinahe mit Miß Amalia Doyle zusammengestoßen, die vor Schreck fast in Ohnmacht gefallen wäre.
Coco, die sich Claudia Swanson nannte, erzählte ihr, daß sie nicht schlafen konnte, weil sie dauernd seltsame Geräusche gehört hätte. Miß Doyle, eine klapperdürre, keifende Jungfrau nahe der Fünfzig, behauptete spöttisch, daß sie sich das nur einbilden würde.
Am nächsten Morgen, als sie zusammen beim Frühstück saßen, gab sich Miß Doyle dann allerdings freundlicher.
»Als ich vor einem Jahr diesen Posten annahm, erging es mir ähnlich wie Ihnen«, gestand sie flüsternd, so daß die anderen es nicht hören konnten. Sie lächelte verschämt. »Ich habe sogar ernsthaft geglaubt, daß ich hier in ein Spukschloß geraten sei. Doch dann fand ich heraus, daß manche Räume eine besondere Akustik haben. Im dritten Stock hört man es, wenn die Ratten durch den Keller rennen. Und ein anderes Mal habe ich – unfreiwillig, möchte ich betonen – ein Gespräch zwischen Mr. Wisdom und der Direktorin mit angehört, das sie zwei Stock höher und in einem ganz anderen Trakt geführt haben.«
Mortimer Wisdom, der mit den drei anderen männlichen Lehrkräften am Nebentisch frühstückte, beugte sich zu ihnen herüber und fragte: »Habe ich soeben meinen Namen gehört?«
Er war etwa fünfzig und von unglaublicher Körperfülle; sein Doppelkinn erlaubte es ihm nicht, den obersten Knopf seines Hemdes zu schließen. Coco hatte ihm nur einmal zur Begrüßung die Hand gegeben und angewidert festgestellt, daß seine Wurstfinger vor Schweiß ganz glitschig waren. Seine Schweinsäuglein blickten stets lüstern drein, und er gefiel sich darin, die beiden puritanischen weiblichen Lehrkräfte durch Anzüglichkeiten zu schockieren. Er unterrichtete Mathematik und Physik. Coco zuzwinkernd meinte er: »Wenn Miß Doyle über mich spricht, dann ist es bestimmt nichts Gutes. Aber ich bitte Sie, Miß Swanson, lassen Sie sich von ihr nicht beeinflussen! Sie werden noch sehen, daß ich auch recht charmant sein kann.«
»Davon haben wir allerdings noch nichts bemerkt«, sagte Miß Cäcilia Whithley spitz.
Sie war erst fünfunddreißig und nicht einmal unhübsch, aber sie kleidete sich so streng und unvorteilhaft, daß sie damit ihre Vorzüge geschickt verbarg. Mortimer Wisdom hatte Coco zu verstehen gegeben, daß sie im Teenageralter einmal von vier Wüstlingen vergewaltigt worden war und seit damals nichts mehr von Männern wissen wollte.
»Aber, aber!« ermahnte Irene Reuchlin, die Anstaltsleiterin, ihre Lehrkräfte.
Sie saß allein an einem Tisch, der jedoch für zwei Personen gedeckt war. Coco hatte herausbekommen, daß sie gelegentlich von einem Mann besucht wurde, von dem alle nur wußten, daß er Isacaaron hieß. Nach ihm war wahrscheinlich das Internat benannt worden. Niemand von den Lehrkräften konnte Coco jedoch sagen, ob er Mrs. Reuchlins Mann war oder nur ihr Freund.
Irene Reuchlin war eine reife Frau von faszinierender Schönheit. Sie strahlte Autorität aus, der sich auch die um vieles älteren Lehrkräfte beugten.
Das harmlose Streitgespräch verstummte, ohne daß die Direktorin mehr zu
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