051 - Duell mit den Ratten
Dämonentor schritt, drehte er sich noch einmal um. »Heute nacht ist es soweit. Ich spüre es mit jeder Faser meines Körpers. Es wird für uns alle ein einmaliges Erlebnis werden.« Ohne ein weiteres Wort durchschritt er das Dämonentor, trat ins Freie und blickte sich um. Als er nichts Verdächtiges entdecken konnte, machte er sich unbekümmert, die Melodie einer Sardana, die er von Theo gehört hatte, vor sich hin summend auf den Rückweg zum Schloß.
Er wollte sich gerade unbemerkt durch den Hinterausgang schleichen, da verstellte ihm plötzlich Miß Doyle den Weg.
»Na, wohin denn so heimlich, still und leise?« fragte sie.
»Ich möchte auf mein Zimmer«, sagte Prosper, nachdem er den ersten Schreck überwunden hatte.
Er hatte schon befürchtet, daß Mrs. Reuchlin sein Verschwinden bemerkt haben könnte. Sie war die einzige Person im Internat, die ihm Respekt einflößte. Als er jedoch Miß Doyle erkannte, beruhigte er sich sofort wieder.
»Lassen Sie mich, bitte vorbei!«
Sie dachte jedoch nicht daran. »Wir haben dich beim Abendbrot vermißt, Prosper. Wo hast du denn gesteckt?« Er hob den Picknick-Korb hoch und sagte: »Ich habe mein Abendbrot im Wald zu mir genommen. Ich verspürte auf einmal Lust, dem stickigen Speisesaal zu entrinnen und in freier Natur zu essen.«
»Ach, sieh an!« meinte Miß Doyle höhnisch.
Sie mußte sich sehr sicher fühlen, denn sonst hätte sie sich nicht so anmaßend verhalten. Sie tat geradeso, als hätte sie irgendeinen der Zöglinge und nicht ihn, Prosper, vor sich.
»Für deine Extravaganzen wird die Frau Direktor aber wohl kaum Verständnis haben, Prosper. Diesmal wird sie nicht anders können, als dich zu maßregeln, denn es gibt keinen Sündenbock, dem du die Schuld in die Schuhe schieben könntest.« Sie straffte sich und fügte streng hinzu: »Du kommst auf der Stelle mit mir zur Frau Direktor!«
Prosper starrte sie entgeistert an. Was war nur in diese alte Matrone gefahren? Spürte sie vielleicht auch, daß etwas Großartiges sich zusammenbraute, und nahm sie sich deshalb so viel heraus? Möglich, aber das war für Prosper kein Entschuldigungsgrund.
Er griff in die Tasche und hielt Miß Doyle ein zerknittertes und mit Rüschen besetztes Stück Stoff entgegen. »Sehen Sie, was ich gefunden habe, Miß Doyle!« sagte er.
»Lenk nicht ab!« herrschte sie ihn an.
»Aber das tue ich doch gar nicht«, entgegnete Prosper ungerührt. »Ich will Ihnen doch nur dieses Höschen zeigen, das ich im Geräteschuppen gefunden habe. Als Monogramm sind die Buchstaben A und D eingestickt. Sind das nicht die Initialen Ihres Namens, Miß Amalia Doyle?«
Miß Doyle bekam einen roten Kopf und griff mit einem unartikulierten Laut nach dem Corpus delicti ihrer Schäferstündchen mit Mortimer Wisdom. Doch Prosper entzog ihr die Hand geschickt. »So, und jetzt gehen Sie mir aus dem Weg!« sagte er drohend. »Sonst spreche ich bei der Frau Direktor vor. Was äußerst peinlich für Sie und Mr. Mortimer werden könnte.«
Miß Doyles Schluchzen entlockte ihm nur ein zynisches Lächeln, als er die Treppe hinauf zu den Unterkünften stieg. Bevor er jedoch sein Zimmer aufsuchte, das er nun allein bewohnen würde, nachdem heute Nachmittag seine beiden letzten Zimmergefährten nach Hause geholt worden waren, machte er einen Abstecher zu seiner Vogelfalle. Er hatte sie auf dem Sims des Gangfensters angebracht, weil sich dort immer wieder Tauben, Spatzen und sogar seltenere Singvögel niederließen. Anfangs war es ein guter Platz gewesen. Kein Tag war vergangen, an dem sich nicht irgendein Vogel darin verfangen hatte, so daß Prosper sich nicht um Nachschub für seine Geschenke an Mr. Lundsdale oder für seine Experimente zu sorgen brauchte. Aber in den letzten Tagen ließen sich keine Vögel mehr in der Nähe der magischen Falle blicken. Wahrscheinlich warnte sie ihr Instinkt vor der Gefahr. Prosper nahm sich vor, die Falle an einem günstigeren Ort anzubringen. Vielleicht unter dem Dachstuhl, wo alle Arten von Vögeln nisteten?
Er griff auf das Sims hinaus und staunte nicht schlecht, als seine Hände ein Lebewesen umschlossen; aber er erkannte schon bei der Berührung, daß es alles andere als ein Vogel war.
Er zog die Hand zurück und starrte verblüfft auf seinen Fang. Es war ein Mensch. Bei allen Teufeln und Dämonen, er hielt einen Menschen in der Hand, der nicht größer als dreißig Zentimeter war. Daß es so etwas gab!
Die Proportionen stimmten: Kopf, Arme und Beine standen im
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