051 - Im Orbit
um die Längsachse drehend, zwischen den Baumstämmen nach oben. Aruula griff es aus der Luft und fuhr herum. Der Pfad, den sie in den Dschungel geschlagen hatte, war deutlich zu sehen. Baloors Knecht konnte sie gar nicht verfehlen!
»Aruula! Bleib stehen! Ich bin gleich bei dir!«
Sie schwankte zwischen Sehnsucht und Panik. Endlich stieß sie einen Schrei aus, riss das Visier ihres Helmes nach oben und zerrte sich das Ding von Kopf und Ohren, aus dem die verführerische Stimme drang. »Verfluchter Diener der Finsternis! Zu Orguudoos dunkelsten Tiefen mit dir!« Sie schloss das Visier wieder, drehte sich und fuhr mit dem Schwert unter Laub, Lianen, Blütenpracht und Gebüsch, hieb wie von Sinnen auf das Dickicht ein. Nach allen Seiten flogen Pflanzenfetzen, Holzsplitter und Gesteinsbrocken davon. Sogar menschliches Gebein.
Und plötzlich war da ein Lichtschein im Laubdach des Dschungels. Sie hielt inne, starrte nach oben. Durch eine große Öffnung im Geäst sah sie ein Stück Himmel. Schwarzen Himmel; es war also Nacht. Und darin das Halbrund einer riesigen leuchtenden Scheibe.
Aruula hielt den Atem an. An manchen Stellen klafften Risse in dem Lichtkleid der Scheibe. Seltsame Konturen sah sie, Bläulich und Braun, wie Aruula sie als kleines Mädchen mit angekohltem Holz auf Eis oder Holz gekritzelt hatte.
War das der Mond? Unmöglich; nie zuvor hatte sie den Mond so groß gesehen. Ihr Atem flog. »Ein Zauber«, murmelte sie. Ihr Herz hämmerte gegen ihr Brustbein. »Eine finstere Magie, um mich zu bannen…« Und tatsächlich: Kaum hatte sie es ausgesprochen, begann sich das leuchtende Halbrund zu verändern, bekam scharfe Linien, zwei Augenhöhlen, einen Mund, eine Stirn, eine Nase. »Verfluchter Baloor…!« Sie brüllte ihn an. »Was hast du mit Maddrax getan?!«
Das Ledergesicht im Nachthimmel zwischen dem Laubdach verzog sich zu einer dämonischen Grimasse. Aruula stieß das Schwert nach oben. Das Ledergesicht lachte krächzend. »Du kennst die Antwort.« Als würde trockenes Leder knarren, so klang die Stimme des Schamanen. »Er hat gelitten, er hat unsagbar gelitten…«
»Widerlicher Sklave Orguudoos!« Sie kreischte, außer sich vor Schmerz und Hass.
»Du wirst erfahren, wie er gelitten hat, an eigenem Leibe wirst du's erfahren…« Nebel zog auf, verschleierte das Gesicht des Grausamen und hüllte Aruula in dichte Schwaden ein.
Sie schlug um sich, schrie bei jedem Hieb. Die Klinge traf auf Holz und Gestein, auf Kristall und Ruinenteile. Es krachte und splitterte wie Glas. Aruula tobte wie eine Besessene. Trauer und Schmerz trieben sie tiefer und tiefer in den Urwald, Hass und Angst führten ihr Schwert. Und auf einmal schwebte er vor ihr.
Weiß gekleidet wie die anderen Handlanger Baloors und mit schwarzem Visier, hinter dem er sein Gesicht verbarg. Er trug keine Waffen, und das machte ihn so gefährlich für Aruula. Jemand, der sich ihr ohne Schwert, Lanze oder Bogen in den Weg zu stellen wagte, verfügte über mächtigere Waffen: Magie.
Mit schmerzlicher Klarheit wusste sie, dass ihr Ende gekommen war. Der ganze Stolz ihres Volkes bäumte sich noch einmal in ihr auf. Der Stolz der Frauen von den Dreizehn Inseln - lieber starben sie, als aufzugeben.
Aruula stimmte ein Kampfgebrüll an und stürzte sich auf den Dämonenknecht.
Sie drosch auf ihn ein, stach nach ihm, zertrümmerte seinen Helm, zerfetzte seinen weißen Anzug. Jeden Atemzug erwartete sie den Angriff seines Zaubers, erwartete zu erstarren, zu brennen, kraftlos zusammenzubrechen. Doch das Ende blieb aus.
Schwer atmend und bis an die Grenze der Ohnmacht erschöpft, hielt sie inne.
Das Schwert entglitt ihren zitternden Händen und schwebte nach oben. Tausend Trümmer erfüllten die Luft: Fetzen des weißen Anzugs, Stiefel teile, Helmsplitter, Metallbügel, Schlauchteile, dazwischen Laub, Äste, Blüten, Moos. Alles schwebte um das Schwert herum wie eine Wolke um einen Berggipfel.
»Ich hab ihn besiegt.« Ungläubig bestaunte Aruula den zerstörten Gegner.
»Ich kann sie besiegen…«
Dass sie weder Blut noch Fleisch entdeckte, störte sie nicht. Vermutlich hatte sie gegen einen Dämonen aus Orguudoos finsterer Tiefe gekämpft, der sich im Augenblick der Vernichtung in Nichts aufgelöst hatte. Aruula stimmte ein grimmiges Gelächter an. »Wudan sei Dank! Ich kann die Diener Baloors besiegen!«
Und während sie noch das Hochgefühl ihres Sieges genoss, hörte sie hinter sich fernes Rufen. Sie drehte sich um.
»Aruula !« Niemand
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