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051 - Im Orbit

051 - Im Orbit

Titel: 051 - Im Orbit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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unnatürlich groß. »Ich liebe dich, Daanah…« Deutlich schimmerte das Weiß seiner Zähne durch das ausgefranste Loch über dem rechten Mundwinkel. »Wie kam ich hierher nach Berlin? Zu dir? Die Liebe hat mir Flügel wachsen lassen…«
    »Ist schon okay, Dave.« Mit Papiertüchern wischte ihm Matt den Schweiß von der Stirn. »Wir haben hier etwas, das dir gut tun wird.«
    Hollyday riss die Augen auf und sah ihn an. »Mickey!« Er umarmte den Comman- der. »Es ist so schrecklich, so schrecklich…!« Willig ließ er sich das Gegenmittel verabreichen. »Es gibt keinen See in Baltimore, kapiert ihr das nicht? Warum hat sie das getan, sie ist doch eine von uns!?« Sie flößten ihm Wasser ein. Er trank gierig, verschluckte sich, hustete.
    Tropfen taumelten davon. »Es wäre so schön gewesen… wie die Sterne funkelten, wie friedlich der See vor uns lag. Und der Höchste der Sumpfgötter - wie eine glitzernde Kugel schwamm er im See…!«
    »Gleich ist es vorbei.« Matt hielt ihn fest. »Noch ein paar Minuten, Dave, dann hast du es geschafft.«
    Aruula starrte den langhaarigen Mann an wie eine Erscheinung. Vermutlich wurde ihr gerade bewusst, wie sie selbst sich unter dem Einfluss der Pilzsporen verhalten haben musste.
    »Stell dir vor, Mickey - ich wäre vielleicht Vater geworden, endlich Vater! Mickey, du musst Crow in den Arsch treten. Er hat sie hypnotisiert, damit sie mich tötet, dabei war sie doch eine von uns…« Hollyday brabbelte und brabbelte.
    Dann endlich beruhigte er sich allmählich. Und nach etwa zwanzig Minuten begriff er, was geschehen war. Jetzt weinte er hemmungslos. Wieder hatten sie Mühe, ihn zu verstehen. Er schluchzte und flüsterte nur noch. Irgendwann war er endlich so weit: Er führte sie in die russischen Module der ISS.
    Sie fanden Melanie Chambers am anderen Ende der Raumstation, im Zwezda-Modul vor dem Schleusenschott zum europäischen Raumfrachter. Die Kegel ihrer Brustscheinwerfer glitten über ein Dickicht aus Pilzwucherungen an der Decke. Halb bedeckt von den moosartigen Lappen und Ausstülpungen schwebte Captain Melanie Chambers auf halber Raumhöhe knapp unterhalb des Bordfensters. Ihre Stiefel hafteten an der Wand fest, und sie blickte zum Fenster hinauf. Der Mond schien in das Modul hinein, und in seinem Licht sahen sie den Riss, der in ihrem Anzug über ihrer Brust klaffte. Ein Wulst von Pilz Wucherungen wölbte sich daraus hervor. Auch dass ihr Helm zerstört war, konnten sie erkennen.
    Matt schaltete seine EM-Stiefel aus, stieß sich ab und schwebte zu ihr hinauf. Als der Strahl seines Scheinwerfers ihr Gesicht traf, zuckte er zurück. Für einen Moment drohte ihn die Angst zu übermannen.
    Melanie Chambers bot einen grauenhaften Anblick. Schwarzgrüne Quasten durchsetzten ihr Haar. Ein Loch klaffte in ihrer Stirn; an den ausgefransten blutigen Rändern wucherten Pilzkolonien. Weißer Schädelknochen glänzte im Zentrum des Lochs. Das gesamte Gesicht und der Hals waren mit jener schwarzgrünen Patina überzogen. Die freigelegte Halsschlagader pulsierte nicht mehr. Gänzlich weggefressen waren ihre Lippen und unbedeckt die Schneidezähne. Den rechte Nasenflügel hatte der Pilz ebenfalls schon gänzlich zersetzt. Matt sah die knorpelartige Verlängerung des freigelegten Nasenbeins. Eine Pilzschicht füllte das linke Auge und rahmte die Höhle ein, in der vor Stunden noch ein Augapfel gelegen hatte. Jetzt sah Matt nur noch ein tiefes Loch, und auf dessen Grund die gewundene Struktur schleimiger Hirnmasse.
    Ekel und Entsetzen schnürten ihm den Hals zu. Er stieß sich an der Wand ab, schaltete das EM-Feld ein und setzte auf dem Boden auf.
    »Was ist los?« Hollyday krächzte mehr als dass er sprach. »Warum holst du sie nicht da runter? Wir müssen sie doch medizinisch versorgen.«
    »Nein«, sagte Matt, »das müssen wir nicht. Sie ist tot…«
    ***
    Stunden vergingen mit der medizinischen Notversorgung des Majors - er schüttelte sich im Fieberdelirium - und damit, den zusammengebrochenen Hollyday wenigstens so weit zu beruhigen, dass er sich nicht mehr umbringen wollte. Er gab sich die Schuld an Melanies Tod. Keine Rede mehr davon, dass sie ihn hatte töten wollen.
    Matthew Drax nutzte die Zeit, um den Zentralrechner der ISS nach Daten abzusuchen. Glücklicherweise waren beschreibbare CDs und DVDs im Jahr
    2012 bereits veraltet gewesen; deren Speicherschichten hätten die Zeiten nicht überstanden. Der Computer der Raumstation hatte sämtliche Daten der letzten

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