051 - In den Katakomben des Wahnsinns
das
schottische Städtchen Alness sein Endziel sein musste.
Larry Brent ließ den Forscher nicht aus den Augen, als er die Bahnhofshalle
passierte. Zwei Gepäckträger schleppten die Koffer des Gelehrten. Vor dem
Bahnhof stand das Taxi bereit. Larry ließ sich seine Verwunderung nicht
anmerken. Die Angelegenheit war bis ins letzte Detail von Morron vorbereitet.
X-RAY-3 wartete, bis das Taxi mit dem Gehirnchirurgen abgefahren war. Dann
stieg er selbst in einen bereitstehenden Wagen.
»Wollen Sie sich ein Pfund extra verdienen?«, fragte er den Chauffeur.
»Immer«, lautete die Antwort. »Was soll ich tun?«
»Nichts anderes, als Ihrem werten Kollegen auf der Fährte zu bleiben, das
ist alles. Aber so, dass der Fahrgast nicht unbedingt bemerkt, dass wir hinter
ihm her sind.«
Der Schotte mit den buschigen Augenbrauen grinste von einem Ohr zum
anderen. »Solche Aufträge habe ich schon mehr als einmal erledigt. Sie sind
meine Spezialität, Sir.«
Er warf den Motor an. Es klang, als ob jemand mit einer Mähmaschine unter
der Motorhaube des alten Vehikels hantieren würde.
Der Chauffeur zuckte die Achseln. »Tut mir leid, es klingt ein bisschen
laut, ich weiß. Aber die Kiste fährt noch, darauf können Sie sich verlassen!«
»Das ist die Hauptsache.« Das Vehikel wackelte und klapperte, ließ sich
aber erstaunlich gut beschleunigen.
Während der Fahrt öffnete der Amerikaner seine Reisetasche, nahm das in
einem Extrafach liegende zitronengelbe Hemd heraus, zog das violette aus, legte
es zusammen und schlüpfte in das gelbe.
Der Schotte riss die Augen auf. Er beobachtete die Maskerade seines
Fahrgastes im Innenspiegel.
»Gehören Sie zu den Parodisten um Charly La Mer?«, fragte er heiter. Larry
hielt inne. »Charly La Mer?«, echote er. »Nie gehört. Wer ist das?«
»Er ist der größte männliche Stripper, den ich jemals im Westend von London
gesehen habe«, plauderte der fröhliche Schotte munter drauflos. »Kürzlich habe
ich eine Tante dort besucht. Abends machte sie mir den Vorschlag, in ein
Striptease-Lokal zu gehen. Ich war natürlich hell begeistert. Aber ich wunderte
mich, dass die alte Dame mir, ihrem Neffen, einen solchen Vorschlag machte.
Nun, dann merkte ich, was dahintersteckte: sie führte mich in ein
Striptease-Lokal, in dem keine Girls auftraten – sondern als Mädchen
verkleidete Männer! Charly ist 'ne Wucht, Mister! Ich habe Tränen gelacht.
Diese Kleider, diese Perücken, dieses Make-up, und vor allen Dingen: diese
Mimik! Als er schließlich mit seiner Lendenschnur dastand, tobten die Zuschauer
vor Begeisterung. Neben mir am Tisch saß am gleichen Abend ein alter Opa.
Offenbar war ihm gar nicht bewusst geworden, dass er in ein Lokal geraten war,
in dem Parodien gezeigt wurden. Als der Stripper ziemlich am Ende war, wandte
er sich an mich und meinte, dass das Mädchen doch zu bedauern sei: Sie hätte ja
gar keinen Busen!«
Larry lachte. Er schlüpfte in sein gelbes Hemd. »Nein, mit der Gruppe um
Charly La Mer habe ich nichts zu tun. Ich habe auch kein Interesse daran,
Stripper zu werden, und ich probe auch nicht meinen Auftritt für den heutigen
Abend. Meine Verkleidung hat ganz gewöhnliche Gründe. Zugfahren ist nicht immer
das Ideale, nicht wahr? Wenn ich jetzt in einem piekfeinen Hotel absteige, dann
möchte ich das gern in sauberer Kleidung tun. Ich habe gerade noch einmal zum
Wechseln dabei. Mein Gepäck folgt nach.«
Es stimmte eigentlich nur seine letzte Bemerkung. Sein Gepäck wurde ihm
schon seit drei Tagen nachgereicht. Ein Mittelsmann der PSA, der in London
stationiert war, hatte diese undankbare Aufgabe übernommen. Solange Larry noch
kein festes Quartier bezogen hatte, war es sinnlos, mit einem Berg Gepäck in
der Gegend herumzureisen. Der Mittelsmann wurde jeweils am Ende eines Tages
informiert und kam mit dem Gepäck nach. Larry hoffte, dass das Zigeunerleben
der letzten drei Tage nun hier sein Ende fand, und er über alle
Annehmlichkeiten verfügen konnte, die sein umfangreiches Gepäck ihm bot.
Ohne dass der Fahrer es merkte, wechselte Larry auch die Hose. Er trug
jetzt eine dunkelgraue. Die cremefarbene rollte er einfach zusammen, stopfte
sie in die Reisetasche und verschloss sie wieder.
Dann löste er langsam einen haarfeinen Faden, der an den Nähten der Tasche
entlanglief. Die oberste Lederschicht löste sich ab. Er konnte die Hülle wie
eine Folie davon abziehen. Die Tasche war jetzt nicht mehr braun, sondern schwarz.
Das Gepäckstück war ihm in London
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