051 - In den Katakomben des Wahnsinns
in
diesem Haus ein und aus gegangen ist, Doktor.«
Fond zuckte die Achseln. »Es tut mir leid!« Er war die Ruhe selbst. »Ich
weiß nicht, wovon Sie reden. Ich kenne keine Joan Rowley. Sie war niemals in
meiner Behandlung. Das müsste ich doch wissen.«
Wortlos reichte White dem Psychotherapeuten das Foto. Es zeigte Joan Rowley
in einer Porträtaufnahme.
Sie lächelte, der Mund war halb geöffnet, ihre dunklen Augen blickten
verlockend und verführerisch.
Fond sah sich das Bild eingehend an, und in der gleichen Zeit studierte White
aufmerksam jede Reaktion seines Gegenübers. Nichts! Fond war so kalt wie ein
Eisberg.
»Es tut mir leid! Sie müssen sich wirklich getäuscht haben. Ich habe eine
Joan Rowley nie in meinem Leben gesehen.«
»Dann erübrigt sich jede weitere Sekunde, die ich Ihnen stehle, Doktor«,
sagte White enttäuscht, während er das Foto wieder in die Brieftasche schob.
»Mein Besuch bei Ihnen war also umsonst. Schade!«
Fond erhob sich. »Das tut mir leid. Ich hätte Ihnen gern geholfen. Aber was
nicht möglich ist ...«
Er verabschiedete sich von dem Privatdetektiv mit Händedruck. »Noch viel
Erfolg. – Meine Assistentin wird Sie hinausbegleiten.«
Henry Fond ging davon. Seine Schritte waren auf dem dicken Teppichboden
nicht zu hören.
White drückte die halbgerauchte Zigarette aus und wandte sich um, als Helen
ihm entgegenkam.
»Das war ein recht kurzer Besuch«, sagte sie lächelnd.
»Mir scheint, dass ich mir demnächst doch irgendeinen Komplex zuziehen
werde. Behandlungen dauern hier wahrscheinlich länger.« Sie nickte. »Manche
Patienten kommen Monate – manche sogar Jahre zu uns.«
Er ging langsam an ihrer Seite zum Ausgang. »Haben Sie sich's überlegt?«,
fragte er.
»Überlegt? Was ?« Ihre Augen
blitzten.
»Nun, Sexhäschen – ich habe vorhin gleich nach unserer Bekanntschaft etwas
von einem Rendezvous gesagt. Erinnerst du dich nicht mehr?«
»Bei Ihnen geht das ja ziemlich schnell.«
»Es ist das Tempo unserer Zeit, Darling. Ich war einmal verlobt ...«
» Ah, interessant !«, bemerkte sie
spitz.
»Sie müssen mich ausreden lassen. – Ich hatte das Mädchen am Vormittag
kennengelernt. Mittags um zwei verlobte ich mich mit ihr – abends um sechs
waren wir wieder entlobt. Das ist ein Tempo, was?« Er lachte.
Es war so ansteckend, dass es ihr schwerfiel, ernst zu bleiben. »Ihr
Temperament ist bewundernswert, Mister White.« Er winkte ab.
»Vererbung«, sagte er leichthin. »Meine Großeltern waren noch waschechte
Iren.« Er fuhr sich durch die Haare, als wolle er Helen darauf aufmerksam
machen, dass sie rotblond waren. »Echtes, altes Irenblut strömt in meinen
Adern. Mein Vater sagte einmal, dass alles, was er sich vorgenommen hatte im
Leben, sich auch erfüllt habe. Er hätte niemals locker gelassen. Man muss eine Sache nur wirklich wollen,
mein Sohn , sagte er einmal zu mir. Dann
erreicht man sie auch . Mein Alter hatte recht. Ich habe es bisher so
gehalten. Und es hat immer funktioniert.«
»Bei mir nicht, Mister White!«
»Aber Darling – bei deinem Aussehen? Man braucht sich doch wirklich nicht
zu schämen, dich irgendwohin mitzunehmen. – Kennst du übrigens Jackie?«
»Die Frau von Onassis?«
»Nein, die nicht. Ich meine Jackie – vom Hausboot, Jackie the Ripper, wie
sie ihn hier nennen.« Sie schüttelte sich. »Das ist ja eine scheußliche
Bezeichnung, Mister White.«
»Aber, Kindchen, du kriegst heute alles in die falsche Kehle. Keinen guten
Tag erwischt, was? Ich sagte nicht: Jack the
Ripper – der ist doch lange tot. Ich sagte ganz deutlich Jackie . Aber das ist natürlich nicht sein richtiger Name. Er ist
Grieche. Wie er wirklich heißt, weiß eigentlich kein Mensch. Jedermann in der
Gegend nennt ihn Jackie. Etwa zehn Meilen von hier entfernt, mitten im Wasser,
liegt das Piratenschiff – und dort ist heute Abend eine Party. Bei Jackie
verkehren nur junge Leute. Es wird gesungen, getanzt, gescherzt, geküsst ...
wie es gerade beliebt. Alles, was dir Spaß macht, kannst du dort haben. –
Überleg' es dir mal, Bunny. Meine Anschrift hast du ja – die Telefonnummer
steht ebenfalls auf der Karte. Ich warte auf deinen Anruf bis um sieben. Wenn
ich bis dahin nichts von dir höre, muss ich leider Rosy anklingeln. Sie sieht
nicht schlecht aus, aber sie ist bei weitem nicht so nett wie du.«
»Auf Wiedersehen, Mister White«, sagte Helen Carter, als er die Türschwelle
passierte.
Er warf noch einmal einen Blick auf ihre provozierende Figur,
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