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0511 - Fenster der Angst

0511 - Fenster der Angst

Titel: 0511 - Fenster der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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konnte ihre Gefühle nicht unterdrücken, sie zeigte Spannung. Das war an ihrem Blick ebenso zu erkennen, wie am Zittern der Wangen. Sie bewegte den Mund, ohne daß eine Frage über ihre Lippen drang.
    Ich nickte ihr zu und sprach sie an. »Sie brauchen mich nicht zu unterstützen, Miß Bright.«
    »Ich will es aber. Ich will Bescheid wissen. In diesem Fall stimmt einiges nicht. Das hat auch mein Bruder herausgefunden. Er hat sich bestimmt nicht geirrt, nein, sicherlich nicht.«
    »Wußte er etwas?«
    »Er war einer Sache auf der Spur, die schon lange zurückliegt. Genaues konnte er mir nicht sagen, deshalb ist er noch einmal hergefahren, um nachzuforschen.«
    »Uns hat er auch nichts mitgeteilt«, sagte ich.
    »Ich weiß. Er wollte sich nicht blamieren und auf Nummer Sicher gehen.«
    Wir hatten flüsternd gesprochen. Auch der in der Nähe stehende Dr. Cisari hatte nichts hören können, obwohl er große Ohren bekommen hatte. Es war sehr still geworden. Niemand gab mehr einen Kommentar ab. In der Ferne hörten wir das Krächzen der Saatkrähen. Der Nebel war auch geblieben. Er trieb über die Köpfe der Trauergäste hinweg und hüllte den Friedhof in sein graues Tuch.
    »Klar?« fragte ich Harriet.
    »Ja, ich werde stark sein. Bringen wir es hinter uns, Mr. Sinclair.«
    Sie machte sogar den Anfang und löste die Verschlüsse an ihrer Seite. Als sie zurückschnappten, war das laute Geräusch auch in der Umgebung zu hören. Jemand konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken. Ich blickte aus meiner gebückten Haltung auf die Trauergäste.
    Mr. Bright hielt seine Frau umklammert, als wollte er sie nicht mehr loslassen. Die Geste gab ihr Schutz und eine gewisse Sicherheit. Der Blick des Mannes war starr.
    Ich sah auch Suko. Er hatte seine Haltung etwas verändert und stand so, daß er die vier Sargträger als auch mich sehen konnte.
    Dr. Cisari hatte sich neben den Pfarrer gestellt, der aussah, als wollte er jeden Moment weglaufen.
    Auch ich zog die Verschlüsse hoch. Noch lag der Deckel auf dem Unterteil.
    »Das mache ich allein«, sagte ich, denn Harriet wurde immer blasser. Sie war mir dankbar und trat etwas zurück.
    Unser junger Kollege lag in keinem sehr teuren Sarg. Der Deckel war nicht allzu schwer. Ich faßte ihn an den Längsseiten, holte noch einmal Atem und hob ihn mit einem Ruck in die Höhe.
    Dann trat ich zur Seite, den Sargdeckel noch in der Hand. Ich legte ihn neben den Sarg auf den Boden, bevor ich mich wieder drehte und in die offene Totenkiste schaute.
    Andere hatten vor mir hineinsehen können. Ich beobachtete zuerst Harriet. Sie hatte eine Hand auf den Mund gelegt. Dadurch wirkten die Augen noch größer. Auf der Stirn sah ich die Schweißperlen schimmern.
    Ihre Mutter hatte den Kopf gegen die Schulter ihres Mannes gedrückt. Sie konnte nicht hinschauen, während ehester Bright unbeweglich dastand. In seinem Gesicht las ich keine Reaktion.
    Der Pfarrer blickte zu Boden, Dr. Cisari schielte zur Seite, andere Trauergäste atmeten heftiger, ein geflüsterter Kommentar drang aus der Menge an meine Ohren.
    »Aber er ist doch tot…«
    War er das tatsächlich?
    Ich wollte es genau wissen und trat ganz dicht an den Sarg heran.
    Unser Kollege lag auf dem Rücken. Man hatte den Sarg ausgepolstert. Sogar ein kleines Kissen schaute unter dem Kopf des Toten hervor.
    Erinnerungen kamen in mir hoch. Ich dachte an die zahlreichen Mittagspausen, in denen wir mit Ken Bright zusammengesessen und gescherzt hatten.
    Jetzt lag er vor mir.
    Stumm, kalt – eben tot!
    Dennoch, für eine mehrere Tage alte Leiche sah er noch ziemlich gut aus. Seine Hände lagen auf der Brust übereinander. Das helle Totenhemd war bis zum Hals hin geschlossen. Sein Gesicht besaß noch keine wächserne, gelbliche Farbe, wie es eigentlich hätte sein müssen, und mein Mißtrauen verstärkte sich.
    Noch etwas fiel mir auf.
    Der Mund des ehemaligen Kollegen war nicht geschlossen. Er stand halb offen, als wollte er noch einmal Atem holen. Aber die Starre war absolut, wie man es allerdings auch von Scheintoten her wußte. Kein Muskel bewegte sich.
    Ich mußte einen Versuch wagen.
    Wahrscheinlich hatte Dr. Cisari bei der Feststellung der Todesursache nicht den Versuch unternommen, in die Hacke des Toten zu schneiden. Dort befand sich ein Nerv, der sogar bei Scheintoten reagierte.
    Ich aber wollte es wagen.
    Harriet hatte sich wieder gefangen. Als sie nähertrat, flüsterten auch die ersten Trauergäste wieder miteinander. Ihre Kommentare verstand ich

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