0513 - Sandra und die Mördermaske
Kapelle zu gehen. Das Licht der Kerzen gab dem Gang eine flackernde Helligkeit, die ihr Muster aus rotgelben Reflexen und dunklen Schatten über die Wände und den Boden huschen ließ.
Die Türen waren nicht verschlossen. Was Father Ignatius benötigte, hatte er bereits zusammengepackt. Wichtig war der Mantel, den er über die Kutte streifte.
Er zog auch festes Schuhwerk, an. Die Wege in den Bergen waren oft genug mehr als beschwerlich. Proviant hatte er ebenfalls mitgenommen. Er verstaute ihn unter seiner Kutte.
Wichtig war sein Kreuz.
Es bestand aus altem Eichenholz. Mit geweihtem Wasser hatte er es getauft, und er trug es stets bei sich wie auch den Rosenkranz.
So gerüstet hoffte er, den Mächten der Finsternis zusammen mit John Sinclair Paroli bieten zu können.
Niemand sah ihn, niemand hielt ihn auf, als er das schützende Gebäude verließ und auf den Hof in die Kälte der Spätherbstnacht trat.
Der Wind wehte aus Nordwest. Es roch bereits nach Schnee. Vor einigen Tagen war welcher gefallen, doch rasch wieder getaut. Er schaute sich nicht um, als er den Hof durchquerte und auf die schmale Pforte in der großen Tür zuschritt.
Es war schon ein großes Tor, von innen mit einem mächtigen Balken verriegelt.
Father Ignatius besaß einen Schlüssel für die Pforte. Als er sie wieder hinter sich zuzog, überkam ihn das Gefühl, das Land eines Feindes betreten zu haben.
Sein Ziel lag im Osten.
Diese Richtung schlug er auch ein. Der einsame Wanderer wurde schon sehr bald von der Dunkelheit verschluckt. Ein Mensch, der eine Aufgabe zu erledigen hatte und in dessen Brust der Wille brannte, das Feuer des Bösen zu löschen…
***
Ich sah, daß Sandra Wieran kurz vor dem Kippen stand. Was sie hier erlebte, konnte sie nicht hinnehmen. So etwas kannte sie höchstens aus Filmen oder Büchern, aber nicht aus der Wirklichkeit.
Suko konzentrierte sich auf den »Toten«. Ich aber lief um Basil Wieran herum und erreichte die junge Frau, bevor sie zu Boden fallen konnte.
Sandra war nicht ohnmächtig geworden. Als ich sie zur Seite zog, bewegte sie noch die Beine. Sie zitterte, obwohl der Körper steif wirkte. Ich lehnte sie gegen die kalte Wand nahe der Eingangstür.
»Bitte, Sandra, bleiben Sie so stehen.«
»Ja, ja. Er ist nicht tot. Er war ein Mönch. Er konnte wohl nicht sterben. Im Kloster St. Patrick…«
»Was sagen Sie da?«
»Er kam aus St. Patrick!«
Ich wollte noch nachfragen, aber Sukos Ruf hielt mich davon ab.
So konzentrierte ich mich auf den »Toten«.
Er hatte nicht nur das rechte Bein bewegt und an den Körper gezogen, er drehte sich auch, um sich so gut abstützten zu können, daß er wieder auf die Beine kommen konnte.
Seine Bewegungen waren langsam. Wie die eines Menschen, der aus einem sehr langen Schlaf erwacht und sich zunächst noch recken und strecken muß.
Eine kniende Haltung hatte er bisher erreicht, streckte die Arme aus und hatte auch die Hände gespreizt. Mit den Flächen fuhr er tastend über den Steinboden, als wäre er bei der Suche nach einem bestimmten Gegenstand.
Sehen konnte er nicht. Möglicherweise war das der Grund für seine ungewöhnlichen Bewegungen.
Auch den Kopf drehte er. Sehr langsam, so daß er in unsere Richtung schauen konnte.
Er sah uns nicht, er ahnte unser Dasein, das zeigte er mit seiner folgenden Reaktion.
Innerhalb der unteren Gesichtshälfte erschien ein Loch, aus dem blubbernde Laute drangen. Geräusche, bei denen sich uns der Magen zusammenzog und sich auch eine Gänsehaut bildete.
»Ist das ein Zombie?« fragte Suko leise.
»Sicher.«
»Ich bin mir nicht sicher. Der muß etwas anderes sein. Ein zombie ähnliches Wesen, was weiß ich?«
»Kennst du da welche?«
»Nein. Bist du allwissend.«
»Basil… Basil …« Sandra sprach den Namen ihres Bruders stockend aus. Auch sie hatte sich von dem ersten Schock erholt. Jetzt wollte sie etwas tun, vielleicht mit ihm sprechen, und sie verließ ihren Platz an der feuchten Steinwand.
»Bleiben Sie zurück, Sandra!«
»Nein, Sinclair, nein…«
Bevor ich es noch verhindern konnte, war sie zwischen Suko und mir durchgehuscht. Für uns sah es so aus, als würde sie stolpern.
Dabei hatte sie sich selbst nur Schwung gegeben und war auf den Rücken ihres Bruders gefallen. Ihre Arme umschlangen den Hals der lebenden Leiche, und sie begann mit ihm zu reden.
Für uns war es eine traurige, eine menschliche und gleichzeitig eine schreckliche Szene, als die junge Frau versuchte, mit einem Toten zu
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