0514 - Macumbas Totenhöhle
höllischer Zwitter.
In der Dunkelheit sah Jane Collins aus wie immer. Eine hübsche, junge Frau, der das Leben bestimmt noch etwas zu bieten hatte.
Doch am Tage traf sie der Fluch voll.
Da verwandelte sich ihr Kopf in einen gelblichweißen Skelettschädel, auf dem helle, strähnige und drahtige Haare wuchsen. Erst wenn die Dunkelheit die Dämmerung ablöste, wurde Jane Collins wieder zu einem normalen Menschen.
Darüber kam sie nicht hinweg. Dieses grausame Schicksal zehrte an ihr, es war wie ein permanenter Messerstich, der in ihrem Körper steckenblieb und nie mehr hervorgeholt werden würde.
»Ich weiß, daß Ratschläge in dieser Lage nichts fruchten, Kind«, sagte Lady Sarah, »aber du solltest mal versuchen, auszugehen. Triff dich mit John. Meide ihn nicht wie einen Aussätzigen.«
»Ich bin doch die Aussätzige!« rief Jane. »Ich!« Sie zeigte mit dem Finger auf sich.
»Nein, das bist du nicht.«
»Für dich nicht, für John und seine alten Freunde auch nicht. Aber für die übrigen Menschen. Ich halte mich vor der Welt versteckt. Wenn es tagsüber bei dir klingelt, kann ich nicht an die Tür gehen. Da bleibe ich in meinem Zimmer und…«
»Ich glaube noch immer daran, daß sich dies eines Tages mal ändern wird, Jane.«
»Eines Tages.« Sie nickte. »Ja, das sind zwei Worte, die kommen mir, wenn ich sie ausspreche und richtig betone, endlos vor. Endlos wie mein Schicksal, das ich aber nicht so lange ertragen kann und auch nicht will!«
»Dann mußt du dagegen ankämpfen?«
»Wie denn?« schrie Jane. »Wie? Sag es mir doch! Ich bin kein Mensch, zur Hälfte Dämon, zur anderen Hälfte, was weiß ich…«
»Bitte, Jane…«
Die Detektivin schluchzte auf. »Entschuldige, es ist heute wieder besonders schlimm. Es kommt in Intervallen über mich. Man hat mich furchtbar bestraft.«
Lady Sarah sagte nichts mehr. Trost hatte sie schon genügend gesprochen, nur geholfen hatte es Jane kaum etwas.
»Ich… ich bin so verzweifelt«, drang es aus ihr hervor. Sie saß da mit gesenktem Kopf. »So furchtbar verzweifelt. Ich weiß nicht mehr, was ich noch machen soll. Manchmal denke ich an etwas Schlimmes.«
»Doch nicht…«
»Ja, Sarah, an Selbstmord. Jetzt kannst du mich verachten, aber es ist eben so.«
»Man wirft kein Leben weg, Jane!«
»Leben!« trotz des Tränenwassers bekamen ihre Augen einen starren Ausdruck. »Ist das noch leben, Sarah?«
»Ja, das ist Leben«, widersprach Mrs. Goldwyn. »Du kannst essen, trinken, lachen, weinen, dich bewegen. Du hast Empfindungen, du kannst deinen Verstand gebrauchen…«
»Und bin ein Monster«, sprach Jane dazwischen.
»Nein!«
»Doch!« Jane stand auf. »Ich fühle mich so. Ich fühle mich als Monstrum, als ein Lebewesen, das es nicht wert ist, noch weiter zu existieren. Du kannst dagegen sprechen, du wirst meine Ansicht nicht ändern.« Sie ging zum Fenster und schaute durch die Scheibe.
Dabei sah sie zu, wie ihr Atem gegen das Glas schlug.
Draußen war es dunkel. Es wallte zwar kein dicker Nebel durch Londons Straßen, aber der Novemberdunst reichte auch aus, um viele Lichter verwaschen wirken zu lassen.
»Früher habe ich gelacht, bin ausgegangen, habe chic gegessen, habe getanzt…« Sie nickte sich selbst zu. »Ja, das alles habe ich getan. Und heute?« Jane räusperte sich. »Nichts ist davon mehr zurückgeblieben. Ich lebe wie eine Gefangene. Wenn du ehrlich bist, Sarah, kannst du mir da nicht widersprechen.«
»Das hatte ich auch nicht vor.«
»Woher nimmst du dann deinen Optimismus, mich noch aufheitern zu wollen?«
»Weil sich alles wieder ändern kann!«
Jane drehte sich um, weil sie die Horror-Oma ansprechen wollte.
»Wann kann sich das ändern, Sarah? Morgen, übermorgen? In zehn Jahren, in fünfzig vielleicht? Muß ich so lange tagsüber mit einem verfluchten Knochenschädel herumlaufen?«
»Nein. Denk an John…«
Jane nickte. »An ihn denke ich oft, Sarah, öfter als mir vielleicht selbst lieb sein kann. Aber was will John tun? Er hat versucht, mir zu helfen. Er wird mir auch helfen, dessen bin ich mir sicher. Nur kann er mir den Knochenschädel nicht wegzaubern, der tagsüber auf meine Schultern sitzt. John Sinclair ist gut, aber in meinem Falle möchte ich ihn als hilflos bezeichnen.«
»Du weißt auch, daß er daran arbeitet, dir helfen zu können«, sagte Lady Sarah.
»Kann sein. Ich will ihm keinen Vorwurf machen. Ich kann keinem einen Vorwurf machen. Ihr seid alle sehr nett und lieb zu mir.« sie lief zu einem Sessel
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