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0515 - Schreie aus dem Werwolf-Brunnen

0515 - Schreie aus dem Werwolf-Brunnen

Titel: 0515 - Schreie aus dem Werwolf-Brunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ich mich mit ihm auf gleicher Höhe befand.
    Ich blieb stehen, denn der Unbekannte wollte etwas von mir. Sicherheitshalber nahm ich die rechte Hand aus der Tasche, als ich ihm entgegenschaute.
    Auch der andere hatte den Kragen hochgestellt. Sein Gesicht erkannte ich erst im letzten Augenblick und stellte fest, daß mir kein Europäer, sondern ein Chinese gegenüberstand.
    »Du mußt John Sinclair sein«, sprach er mich an.
    »Vielleicht.«
    »Ja, du bist es, wir kennen dich. Wir haben dich auf einem Bild gesehen, und Suko…«
    »Lebt er?«
    »Natürlich.«
    »Aha. Sind Sie der Anrufer gewesen?«
    »Nein, nicht ich. Aber ich habe die Aufgabe übernommen, dich zu ihm zu bringen.«
    »In die Baracke?«
    »Ja, dort leben wir«, erklärte er mit bitter klingender Stimme.
    »Komm mit, die anderen haben sich verkrochen, wie sie es immer tun, wenn die Dunkelheit über das Land fällt.« Er sprach ein abgehacktes Englisch mit einem nicht zu überhörenden Slang.
    Ich ging neben ihm her. Wir hatten das gleiche Ziel, und mein neuer Begleiter sprach kein Wort.
    »Wie heißen Sie?« fragte ich.
    »Sagen Sie einfach Li.«
    »So heißen wohl mehr als die Hälfte aller Chinesen?«
    »Kann sein.«
    »Weshalb haben die Menschen Angst?«
    Ich bekam zunächst keine Antwort. Wir lauschten beide auf das Knirschen unserer Schritte. »Manchmal geht das Schicksal seltsame Wege. Es kann mit uns zusammenhängen.«
    »Habt ihr den Bewohnern etwas getan? Habt ihr ihnen Angst eingejagt?«
    »Nein. Wir haben uns normal verhalten und haben die Baracke kaum verlassen. Man hat uns gesagt, daß wir abgeholt würden. Irgendwann, aber das ist schon ein halbes Jahr her. Es hat sich noch nichts getan. Man scheint uns vergessen zu haben.«
    »Und einige von euch sind verschwunden?«
    »Das stimmt.«
    »Wann war das, wie war es?«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich kann dir dazu nichts sagen. Ich darf es auch nicht. Du wirst mit unserem Anführer reden müssen. Ho Chan wartet auf dich.«
    Ich kannte mich in der chinesischen Mentalität aus. Wenn jemand nichts sagen wollte, dann hielt er sogar einer Folter stand. Also fragte ich nicht mehr weiter.
    Der Ort war nicht sehr groß. Zum Ende hin standen die Häuser weiter auseinander. Die Gärten dazwischen waren mit einer dicken Schicht aus Eis bedeckt.
    Die Baracke fiel auf.
    Sie war nicht mehr als ein viereckiger Klotz, in die jemand Rechtecke hineingeschnitten hatte, die Fenster und auch Türen. Wir schritten auf eine Mitteltür zu, die Li aufstoßen wollte.
    Ich berührte seine Schulter. »Sagen Sie mir hoch eins: Habt ihr das Heulen gehört?«
    »Ja.«
    »Und?«
    »Darüber wird dir Ho Chan bestimmt etwas sagen. Komm jetzt, er ist schon alt, er braucht seinen Schlaf und seinen Traum, der ihn zurückbringt in die Heimat. Wir wollen ihn nicht zu lange warten lassen. Das sind wir ihm schuldig.«
    Ich ließ Li den Vortritt, der mich in ein Gebäude führte, in dem nur ein spärliches Licht brannte. Noch schlimmer verhielt es sich mit der Kälte. Ob überhaupt Heizungen vorhanden waren, wußte ich nicht. Jedenfalls war es nicht viel wärmer als draußen. Wer hier lebt, der würde sehr bald eine Unterkühlung bekommen.
    Die Lichtinseln wiesen uns den Weg. Es waren Fackeln oder Kerzen, die man aufgestellt hatte. Ich schritt die drei Stufen einer Treppe hoch und gelangte in das Innere der Baracke oder Kaserne.
    Für meine Nase fremdartige Gerüche begrüßten uns. Sie dufteten nicht, sie schwebten durch die Gänge, rochen manchmal sehr scharf, dann wieder wunderbar weich, ein großes Wechselspiel.
    Li führte mich in einen Gang und vorbei an einigen Türen. Manche standen offen. Ich schaute hinein in die primitiven Behausungen, die oft nur ein simples Lager enthielten, nicht einmal einen Schrank. Das war schon menschenunwürdig.
    Vor einer Tür warteten zwei Chinesen. Sie rührten sich auch nicht, als sie uns sahen. Ihre rechten Hände hielten zwei Fackeln: Das Licht tanzte. Es hinterließ Schatten und Helligkeit auf ihren Gesichtern und malte auch Figuren an die grauen, in der Nähe liegenden Wände.
    Li blieb vor mir stehen. Er bewegte den Kopf und schaute jeden der Wächter fragend an.
    Sie nickten synchron.
    »Ja«, sagte Li, »wir dürfen zu ihm.«
    Ich war auf diesen Ho Chan gespannt. Sekunden später sah ich ihn. Er bewohnte ein besonderes Zimmer, hockte auf einem breiten Sitzkissen, das auf einem dünnen Teppich lag. Umgeben war er vom Licht starker Räucherkerzen.
    Im Hintergrund des Raumes erkannte ich ein

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