0516 - Im Netz der Mörderspinne
Schottin ihm vor.
»Da haben Sie verdammt recht, Lady«, erwiderte Ted. »Ich bin müde, abgespannt und etwas nervös, und ich mache das hier nur, weil es um meine besten Freunde geht, und um Sie und Ihre Ungeduld ruhigzustellen, nicht etwa, weil mir gerade noch unbedingt ein haarsträubendes Abenteuer fehlt.«
Patricia schnappte nach Luft, wollte etwas sagen - und verzichtete darauf. Sie schien sich sogar etwas zu entspannen. Ted tastete wieder nach dem Ring an seinem Finger. Manchmal mußte man sich auch mal ein paar ehrliche Worte an den Kopf werfen können, ohne darüber einzuschnappen, und offenbar hatte die junge Lady das begriffen. Ted konzentrierte sich wieder auf den Zauberspruch und probierte es erneut - noch zweimal hintereinander. Aber wie schon beim ersten Mal funktionierte es auch jetzt nicht.
Ted streifte den Ring wieder ab und legte ihn auf den Tisch, genau auf das Foto im aufgeschlagenen Buch.
»Es ist Zamorras Ring«, sagte er. »Nicht meiner. Vielleicht liegt es daran, daß Zamorra ihn nicht offiziell an mich weitergegeben hat. Vielleicht wirkt aber auch der Machtsptuch nur bei Zamorra und bei Nicole. Es tut mir leid. Aber ich sehe keine Möglichkeit mehr, in die Vergangenheit zu gehen!«
»Ihr Machtkristall, Ted«, schlug Patricia vor. »Vielleicht können Sie damit ein Tor in die Vergangenheit öffnen.« Sie spielte auf seinen Dhyarra-Kristall 13. Ordnung an, von dem es hieß, daß man mit seiner Energie sogar einen Planeten sprengen konnte.
Ted hob die Brauen und schüttelte den Kopf. »Erstens bin ich dazu im Augenblick nicht fähig«, sagte er. »Ich muß ausgeruht sein und mich konzentrieren können. Ich brauche Vorbereitung. Und zum anderen kann ich damit zwar ein Weltentor in eine andere Dimension, zu einem anderen Planeten, schaffen, nicht aber in eine andere Zeitebene. Vergessen Sie’s.«
»Aber wir müssen doch etwas tun, um Zamorra und Nicole zu helfen!« entfuhr es Patricia.
Ted zuckte mit den Schultern.
»Versuchen Sie, Merlin anzusprechen«, schlug er müde vor.
»Aber - wie soll ich das tun?«
»Das weiß ich auch nicht. Zur Not versuchen Sie’s mit seinem dunklen Bruder.«
»Asmodis?«
»Sid Amos«, verbesserte Ted. »Oder Sam Dios, wie er sich derzeit nennt. Ich bin sicher, daß er darauf brennt, Zamorra irgendwie zu helfen. Sie erreichen ihn in El Paso, Texas, über die Hauptverwaltung der Tendyke Industries.«
»Woher wissen Sie das?«
»Zamorra hat’s mir verraten. Rob Tendyke selbst ahnt nicht einmal was von seinem… äh… Glück.«
»Aber er - er ist… er war der Fürst der Finsternis! Der Teufel!«
»Vielleicht«, sagte Ted Ewigk, streifte Zamorras uralte Lederjacke ab und wandte sich zum Gehen, »ist er das ja inzwischen nicht mehr.«
Erstaunt sahen die anderen ihm nach. Bislang hatte auch Ted Ewigk immer zu jenen gehört, die Sid Amos nicht über den Weg getraut und in die stehende Redensart des Silbermond-Druiden Gryf miteingestimmt hatten: »Teufel bleibt Teufel.«
Was mochte nun Teds Sinneswandel verursacht haben?
***
»Wer sind Sie? Woher kommen Sie? Was wollen Sie?«
Diese drei Fragen wiederholten sich in ständiger Folge. Nur die Fragesteller wechselten, und der Wortlaut variierte. Aber der Sinn der Fragen reduzierte sich immer wieder auf diese drei Punkte.
Sie hatten Zamorra in die Uniform eines belgischen Soldaten gesteckt; andere Kleidung schien nicht vorhanden gewesen zu sein. Seine eigenen Sachen waren im Lager der Helvetier geblieben. Er hatte ein wenig Zeit gebraucht, sich zu akklimatisieren; seine letzte Erinnerung zeigte ihm den Zauberpriester, der ihn betäubt hatte, statt ihn freizulassen. Er hatte bei lebendigem Leib zerschnitten und verbrannt werden sollen… und nun war er in diesem dunklen, von Petroleumlampen erhellten Raum in einer belgischen Uniform aufgewacht, und ihm gegenüber saßen bewaffnete Soldaten in französischem Kampfdreß.
Das verriet ihm alles. Er war wieder zeitversetzt worden, diesmal in den 1. Weltkrieg. Das rettete ihn zwar vor dem Opferfeuer, nicht aber davor, möglicherweise als Spion erschossen zu werden -oder beim nächsten Angriff der Deutschen zu fallen. Seine Situation hatte sich also nur unwesentlich verbessert -ganz abgesehen davon, daß ihn auch so alles in den Winter des Jahres 1993 zog. Das war seine Zeit, dort gehört er hin.
Liebend gern hätte er gewußt, was aus Nicole und den anderen geworden war. Vermutlich waren sie auch versetzt worden - aber wo befanden sie sich jetzt? Es hatte
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