0518 - Der Vampir von Versailles
ein Dämon gewesen? Oder ein Vampir?
Nichts war unmöglich! Was oft wie Zufall wirkte, war meist seltsame Fügung des Schicksals, das Zamorra und Nicole stets dorthin lenkte, wo die schwarzblütigen Geschöpfe auf Menschenjagd gingen. Vielleicht gab es für ihre Zeitversetzung hierher durchaus einen handfesten Grund.
Einen Grund, der sich in jenem Zimmer befand, das soeben von dem Kavalier erstürmt wurde!
In diesem Moment begann drinnen das Toben.
***
Renards Schulter schmerzte nach dem heftigen Aufprall, der die Tür aus Schloß und Rahmen gesprengt hatte. Er sah im Kerzenschein Rebecca ausgestreckt auf ihrem Bett liegen, und neben ihr saß ein Mann in schwarzer Kleidung, der sich über sie beugte und sie zu küssen schien. Renard konnte sein Gesicht nicht sehen; der Mann wandte ihm den Rücken zu.
Also doch! Rebecca wies Renard ab, weil es einen anderen Mann gab, der sich in ihr Leben drängte!
In diesem Moment machte Renard sich keine Gedanken um die Kreatur, die durchs Fenster geflogen war. Er brachte sie nicht mit diesem Mann in Zusammenhang. Die Eifersucht schaltete jegliches Denkvermögen aus, aber auch jede Furcht. Er spürte die Aura des Unheimlichen nicht mehr, sondern war mit ein paar Schritten bei dem Fremden, packte ihn mit beiden Händen an den Schultern und riß ihn zurück.
Der andere reagierte mit unglaublicher Schnelligkeit und Kraft.
Kaum hatte Renhard ihn berührt, als er sich gewandt wie eine Katze drehte. Sein Arm traf Renard mit Wucht vor die Brust. Renard stöhnte auf. Dann drehte sich der Fremde ganz herum, und seine andere Faust flog heran und traf Renard, schleuderte ihn quer durch das Zimmer. Der junge Mann prallte gegen die Wand, kämpfte gegen die Bewußtlosigkeit an. Er hatte das Gefühl, der Fausthieb habe ihm den ganzen Kopf zerschlagen. Er spürte Blut auf der Zunge, rang um Atem. Vor ihm wuchs der Unheimliche auf. Er ließ Renard keine Verschnaufpause. Unheimlich blaß war dieser hochgewachsene Fremde, aus dessen halb geöffnetem Mund widernatürlich lange, spitze Eckzähne ragten, die blutverschmiert waren wie seine Lippen und die seinem schmalen, totenbleichen Gesicht etwas Clownhaftes, Groteskes gaben. Mit übermenschlicher Gewalt packte der Unheimliche Renard, hob ihn spielerisch leicht an und schleuderte ihn abermals quer durch das Zimmer und in Richtung Fenster. Renard stieß gegen die Brüstung, drohte hinauszukippen und fand gerade noch seine Balance wieder. Der Fremde setzte ihm bereits nach, jagte in einem weiten Hechtsprung auf ihn zu, die Arme vorgestreckt, um ihn aus dem Fenster zu stoßen!
Renard konnte nichts anderes tun, als sich zur Seite, fallen lassen. Gerade noch im letzten Augenblick. Der Unheimliche segelte mit vorgestreckten Armen an ihm vorbei durchs offene Fenster nach draußen!
Kein Aufschrei!
Kein Aufschlag sieben oder zehn Meter tiefer!
Irritiert kam Renard wieder hoch, wollte einen Blick nach draußen werfen, als Rebecca vom Bett aufsprang und ihn anfauchte wie ein wildes Raubtier! Sie hob die Hände, deren Finger zu Klauen geformt waren, und kam drohend auf ihn zu, den Mund geöffnet und die Zähne gebleckt.
Und da geschah etwas Unglaubliches.
Der Unheimliche kam durchs Fenster zurück! Er jagte wie ein Vogel herein, kreiselte herum und stand auf beiden Beinen. Plötzlich befand Renard sich zwischen ihm und Rebecca, und es sah gerade so aus, als sei auch Rebecca seine Feindin! Sie mußte sich völlig im Bann dieses Unheimlichen befinden!
Renard stöhnte auf.
Da schwirrte etwas Silbernes durch die Luft.
Der Blasse zuckte zusammen, wich aus und jagte aus dem Fenster davon. Der silberne Gegenstand prallte an die Wand und fiel zu Boden. Im nächsten Moment schon war er von dort verschwunden und lag in der Hand einer jungen Frau, die in der Tür stand.
Im gleichen Moment brach Rebecca zusammen. So schnell, daß Renard sie nicht mehr auffangen und festhalten konnte.
***
Nicole achtete nicht darauf, daß der ältere Herr hinter ihr stand und ihr über die Schulter sah. Sie sah nur durch die aufgesprengte Tür den ungleichen Kampf zwischen dem Mann, den sie auf 25 bis 30 Jahre schätzte, und dem Vampir.
Jetzt wußte sie, was für ein Nachtgeschöpf durchs Fenster in dieses Zimmer geflogen war.
Ein Blutsauger…
Sie mußte eingreifen. Da sie aber weder über Hammer noch Eichenpflock verfügte, den sie dem Vampir ins untote Herz treiben konnte, mußte sie auf ein anderes Hilfsmittel zurückgreifen, von dem sie hoffte, daß es endlich
Weitere Kostenlose Bücher