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0518 - Der Vampir von Versailles

0518 - Der Vampir von Versailles

Titel: 0518 - Der Vampir von Versailles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Cristofero. »Man sollte ihn in einem durchlöcherten Zuber mitten auf dem Ozean aussetzen und die Haie anlocken! Wenn ihm doch nur ein einziges Mal ein Zauber gelänge! Vom Staub befreien wollte er mein Gemach! Und nun schwimmt alles in gezuckerter Milch und Sahne…«
    »So hört mich doch an, Gebieter!« Hinter Zamorra rang der Gnom die Hände. »Ihr könntet fürwahr ein gutes Geschäft daraus machen! Wenn morgen früh die edlen Damen ihre frische Milch begehren, könntet Ihr Ihnen zu wohlfeilem Preis…«
    »Bin ich eine Krämerseele?« donnerte Cristofero. »Zudem ist das Zeug bis dahin ranzig und so sauer, wie ich selbst derzeit zu sein geruhe! DeMontagne, gebt diesen Feigling heraus, auf daß ich ihn in handliche Portionen hauen und an die Katzen und Hunde verfüttern kann!«
    »Ihr Diener genießt bis auf weiteres bei uns Asyl«, erwiderte Zamorra.
    »Aber er muß doch diese Schweinerei wieder rückgängig machen!« protestierte Cristofero. »Ich kann nicht in einem Raum nächtigen, in dem alles nach süßer Milch stinkt und klebt!«
    Zamorra schob ihn auf den breiten Korridor zurück.
    »Das bekommen wir schon geregelt - später, wenn Sie sich beruhigt haben, Señor. Aber jetzt muß ich mir Ihren Diener für eine kurze Zeit ausleihen - ich hätte ohnehin in den nächsten Minuten deswegen bei Ihnen angeklopft.« Er schloß die Zimmertür.
    »Ihr habt mir das Leben gerettet, Herr«, flüsterte der Gnom ergriffen.
    »Unsinn«, sagte Zamorra. »Dein Chef bringt dich nicht um, und das weißt du selbst auch sehr genau. Weshalb zieht ihr zwei also ständig diese Schau ab?«
    Der Gnom zuckte mit den Schultern. »Ich verstehe nicht, was Ihr meint, Herr.«
    »Na ja, vielleicht gehört’s eben zu eurem Savoir-vivre. - Jetzt aber zu der anderen Sache: Woher stammen diese Kleidungsstücke tatsächlich?«
    Der Gnom hockte sich auf eine Pritschenkante. »Ah, Herr, Eure Ausstattung ist eine Leihgabe von Monsieur Morillon. Mein Gebieter konnte ihn überreden, Euch diese Sachen zeitweilig zur Verfügung zu stellen.«
    »Wer ist dieser Morillon?«
    »Renard Morrilon gehört zu den Ratgebern Seiner Majestät«, verriet der Namenlose. »Er ist zwar nur ein Bürgerlicher, aber aus deren Kreisen erwählt Seine Majestät Seine königlichen Ratgeber mit Vorliebe, kann er sich doch ihr Geschwätz anhören, ohne es wirklich ernst nehmen zu müssen.«
    Zamorra nickte. Das war ihm bekannt. Nach Kardinal Mazarins Tod hatte Ludwig XIV. das Regieren seines Landes im Alleingang übernommen und den Adel entmachtet. Er hielt die Adeligen zwar immer gut bei Laune und in seiner Nähe, aber mit einem recht geringen Stab von Ministern, zu denen Kriegsminister Louvois und Finanzminister Colbert gehörten, ließ er sich allenfalls von seinen »Ratgebern« Ratschläge unterbreiten, denen er folgte oder nicht. »Der Staat bin ich«, hatte er gesagt; alles und jeder hatte sich ihm und seinem Willen unterzuordnen. Und zumindest der Adel fuhr recht gut damit, alle Privilegien genießen zu dürfen, der Verantwortung aber ledig zu sein. Und die Ratgeber aus der Bürgerschicht waren stolz darauf, zum engen Kreis um den Sonnenkönig zu gehören; manchmal so stolz, daß sie gar nicht merkten, wie prachtvoll Majestät sie zum Narren zu halten geruhte.
    Daß Don Cristofero sich selbst ebenfalls zu den Beratern des Königs zählte, warf ein ganz neues Licht auf seine gesellschaftliche Stellung bei Hofe… und so ganz allmählich begann Zamorra einen Grund dafür zu sehen, daß die Räumlichkeiten des Granden hier zu finden waren, in jenem Trakt, der vorwiegend von Personal und Schloßbewohnern niederen Ranges benutzt wurde… Cristofero war also wohl gar nicht so sehr das große Licht, als das er sich selbst immer hinzustellen versuchte.
    »Renard Morillon«, wiederholte Nicole. »Und woher stammen meine Sachen?«
    »Die gehören eigentlich der Madame Beaufort.«
    »Irgendwoher kenne ich den Namen«, überlegte Nicole.
    »Ihre Zofe war so freundlich, die Sachen aus Madame Beauforts Schränken zu nehmen«, fuhr der Gnom fort. »Monsieur Morillon konnte sie dazu überreden, obgleich sie sich eigentlich unpäßlich fühlte und schon in den Vormittagsstunden ihre Herrin um Befreiung vom Tagesdienst aus Krankheitsgründen gebeten hatte.«
    »Moment mal«, hakte Nicole ein. »Das klingt so, als wüßte Madame Beaufort nicht einmal etwas von der Ausleihe?«
    »Ja, nun, hm… eigentlich nicht«, wand der Gnom sich, um rasch hinzuzufügen: »Sie wird es vermutlich

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