0518 - Der Vampir von Versailles
man ihr noch helfen.«
»Euer Gefährte deMontagne kann das?«
»Ich kann das auch - wenn es noch möglich ist«, sagte Nicole. Sie erinnerte sich an die Zeit, in der sie selbst einmal vom Keim eines Vampirs infiziert gewesen war. Seit damals verfügte sie über ihre latenten telepathischen Fähigkeiten. Ohne die Hilfe einer weißmagischen Hexe hätte sie sich damals jedoch niemals aus dem vampirischen Bann befreien können.
Aber das hier war vielleicht etwas anderes. »Wir werden sehen«, sagte sie und registrierte Morillons etwas skeptischen Blick. »Ich werde den Professor informieren. Ich denke doch, daß wir einen Weg finden.«
Die Erwähnung schien Morillon zu beruhigen: Endlich war ein Mann im Spiel. Nicole entsann sich, in welcher Zeit sie sich befand. Frauen waren Wesen zweiter und dritter Klasse. Entscheidungen jedweder Art wurden von Männern getroffen. Damit mußte sie sich abfinden - ohne Zamorra ging hier überhaupt nichts.
»Werden Sie bei Mademoiselle Rebecca bleiben und über sie wachen, während ich den Professor hole?« fragte sie vorsichtig.
Morillon nickte. »Ich werde warten«, versprach er. »Und aufpassen.«
Und gründlich nachdenken, aber das erwähnte er nicht.
***
Teri Rheken wußte jetzt, wie sie vorzugehen hatte. »Ich benötige den Zukunftsring«, sagte sie.
Raffael Bois verzog das Gesicht. »Verzeihung, Miss Teri - den Vergangenheitsring, meinen Sie sicher.«
Merlin hatte einst zwei Ringe ausgegeben - einen, mit dem Reisen in die Vergangenheit und zurück möglich waren, an Professor Zamorra, und einen anderen, der in die Zukunft und zurück führte, an Zamorras alten Studienfreund Pater Aurelian. Doch Aurelian hatte seinen Ring schließlich an Zamorra weitergegeben, als er sich verabschiedete, um seinem Stern zu folgen, wie er sich ausgedrückt hatte; seither fehlte von ihm jede Nachricht. Aber Zamorra spürte, daß Pater Aurelian noch lebte, daß er irgendwo war.
»Den Zukunftsring«, beharrte Teri. »Den mit dem blauen Stein. Nicht den roten.«
»Ich hoffe, Sie wissen, was Sie tun«, seufzte Raffael skeptisch und holte den Zeitring aus dem Tresor.
Teri drehte den Ring zwischen den Fingern, steckte ihn aber nicht auf. »Es muß funktionieren«, murmelte sie leise. »Es ist die einzige Chance - der Ring, der in die Zukunft führt…«
Wenn ihr Plan nicht funktionierte, sah sie keine weitere Möglichkeit mehr, Zamorra und Nicole in die Gegenwart zurückzuholen…
***
Von dichtem Laub verborgen, hockte Nicolas le Roumain auf einem starken Querast eines Baumes. Er dachte nach. So etwas war ihm noch nie untergekommen - er war überrascht und angegriffen worden!
Nicht vor dem Mann und der Frau, die so plötzlich ins Zimmer gestürmt waren, hatte er die Flucht ergriffen; mit den beiden Menschen allein wäre er jederzeit spielend fertiggeworden. Aber die Frau hatte eine seltsame Waffe eingesetzt, wie le Roumain sie nie zuvor gesehen hatte. Er konnte sich allerdings daran erinnern, daß ein Mitglied der Roumain-Familie vor gut anderthalb Jahrtausenden einmal mit einem solchen magischen Instrument zu tun gehabt hatte. Es sollte sich im Besitz eines sterblichen Dämonenknechts befunden haben, der am 1. Kreuzzug teilgenommen hatte. Der alte Vlad, der schon längst an den Folgen einer eichenpflockbedingten Herzperforation dahingeschieden war, hatte auch den Namen des Mannes genannt - Leon deMontagne, oder so ähnlich. An Einzelheiten von Vlads Erzählung konnte Nicolas sich längst nicht mehr erinnern, und Vlad Roumanovic war vor zwei Jahrhunderten von einer mißtrauisch gewordenen und aufgebrachten Dorfgemeinschaft ermordet worden. Das feige Bauerngesindel hatte ihn heimtückisch überfallen, als er seinen Mittagsschlaf hielt und hilflos war. Sie hatten den Sarkophag ins Freie getragen, geöffnet und umgestülpt, so daß selbst die Heimaterde verschüttet worden war. Dann hatten sie ihm zusätzlich einen Eichenpflock ins Herz gerammt. Das mörderische Verbrecherpack hatte sich damit auch noch gebrüstet, als sei es eine gute Tat, einen harmlosen alten Vampir zu meucheln. Sarkana, das Oberhaupt der Roumain-Sippe, war außer sich gewesen vor Zorn, und die Roumains hatten blutige Rache genommen. In einer dunklen und stürmischen Nacht hatten sie das halbe Dorf ausgelöscht und die Kapelle niedergebrannt. Doch danach hat kein Vampir der Roumain-Familie sich jemals wieder in jener Gegend blicken lassen.
Nicolas le Roumain verdrängte die Erinnerungen an damals; er war dabeigewesen,
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