0518 - Höllenparadies
erzählen?«
»Das ist nicht so einfach. Es geht da um eine Person, die vor mehr als zwanzig Jahren verbrannte und wieder zurückgekehrt ist.«
»Als Zombie?«
»So ungefähr, allerdings als besonderer. Als wir ihm gegenüberstanden, löste er sich auf und…«
»Kein Wort mehr aus dem dienstlichen Bereich.« Sarah Goldwyn sprach wie ein Feldwebel. Sie hatte sich so heftig gedreht, daß die zahlreichen Ketten gegeneinander klirrten. »Jetzt wird gegessen und getrunken.« Der Braten hatte die Röhre bereits verlassen. Er lag auf einem Teller, den die Horror-Oma auf beiden Händen balancierte.
Dampf hüllte das Fleisch ein. So sah bestes Roastbeef aus. Oben knusprig gebraten in der Mitte weich und rosa.
Bei dem Duft, den der Braten verströmte, wurde aus meinem Hunger rasch ein Bärenhunger. Dazu gab es frisches warmes Stangenbrot, das Jane bereits geschnitten hatte. Jetzt machte sie sich über das Fleisch her. Sie schnitt dünne Scheiben ab und nickte zufrieden. »Ja, der Metzger hat nicht übertrieben. So muß es sein.«
Auch ich beugte mich vor und nahm noch einmal den Duft auf.
Jane meinte es gut mit mir und legte zwei Stücke auf meinen Teller.
Auch der Wein mundete uns hervorragend.
Der Rote stammte aus Frankreich. Er hinterließ ein angenehmes Gefühl auf der Zunge.
»Dann guten Hunger!« wünschte Lady Sarah und griff als erste zu dem Steakbesteck.
Wir probierten, waren hochzufrieden und aßen mit gesundem Appetit. Jane saß schräg neben mir. Unsere Knie berührten sich. Ich merkte, daß sie einen leichten Druck ausübte und lächelte.
Vergessen war unsere Zeit, in der wir zusammengehört hatten, noch längst nicht. Beim Essen unterhielten wir uns über recht banale Dinge wie das Wetter, das viel zu warm war für diese Jahreszeit, und darüber, daß der Schnee im nächsten Jahr bestimmt erst richtig zu Ostern fallen würde.
Ich mußte natürlich noch eine Scheibe essen, sonst wäre Lady Sarah tödlich beleidigt gewesen. Auch ein zweites Glas Wein schenkte sie mir ein. Der Rote war hervorragend. An den konnte man sich richtig gewöhnen.
Zum Nachtisch hatte Lady Sarah Zimtäpfel in den Backofen geschoben, zu denen sie selbsthergestellte Vanillesoße servierte. Das haute auf die Kalorien, was mich allerdings nicht störte. Durch meinen Job blieb ich fit. – Nach dem Dessert konnte ich wirklich nicht mehr.
»Kaffee oder Tee?«
»Kaffee, bitte.«
Jane stand auf, um welchen zu kochen. Ich wollte die Teller zusammenräumen, aber Sarah Goldwyn hatte einiges dagegen. »Nein, nein, das machen Jane und ich später.«
»Wie du meinst. Jedenfalls möchte ich mich für das hervorragende Essen bedanken.«
»Nicht der Rede wert, Junge. So völlig uneigennützig habe ich dich auch nicht eingeladen.«
»Ah, da hört man’s wieder«, sagte ich, als ich zu den Zigaretten griff. »Es steckt etwas dahinter.«
»Keine Bosheit, John.«
»Das hätte ich dir auch nicht zugetraut.« Ich zündete mir das Verdauungsstäbchen an. »Worum geht es?«
»Ganz einfach oder auch nicht.«
Jane nahm wieder Platz. »Es ist ja nicht sicher, Sarah, ob du da richtig liegst.«
»Doch, das sagt mir mein Gefühl.«
»Ich weiß nicht so recht. Ich jedenfalls habe nichts von dem gespürt. Ehrlich.«
»Darf ich denn mal erfahren, um was sich euer Streit eigentlich dreht?«
»Streit, Junge? Das ist doch kein Streit. Es gibt eben nur zwei verschiedene Ansichten.«
»Es geht um eine Videothek, John«, sagte Jane.
»Auch das noch!«
»Wieso?«
Ich lachte Sarah Goldwyn an, denn ich kannte ihre Leidenschaft für Gruselstreifen. Sie besaß unter dem Dach ihre Videothek, kaufte sich fast jeden unheimlichen Film, der als Kassette erschien, und besuchte trotzdem die Videotheken, um sich Filme zu leihen, die sich noch nicht in ihrem Sortiment befanden. »Hast du immer noch etwas Neues gefunden?«
»Ja, natürlich.«
»Gut. Ist es so ähnlich wie vor Jahren bei dem Film ›Hotel zur dritten Hölle‹?«
»Nein. Hier geht es mir nicht so sehr um die Filme. Mich interessiert mehr die Videothek.«
»Weshalb?«
»Das will ich dir sagen.« Sie stand auf, ging zum Küchenschrank und holte eine Karte von der Ablage. Es war eine Reklamekarte, wie sie oft von Geschäftsleuten an die Haushalte verschickt wurden.
»Lies laut vor, John.«
»Gern.« Ich holte tief Luft, denn der Text war etwas länger. »Kommen Sie in Sandras Höllenparadies. Heute Himmel – morgen Hölle. Sie erleben beides. Kommen, sehen, staunen. Liebe, Tod und
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