0518 - Höllenparadies
Magnum-Revolver, den er auch jetzt nicht vergessen hatte. Die Waffe war von ihm hervorragend gepflegt worden und steckte an der linken Seite in einer weichen Halfter.
Verfolger hatte Malone nicht entdecken können. Für solche Typen hatte er einen Riecher. Rick merkte sehr schnell, wenn ihm jemand auf den Fersen war.
Über der Tür leuchtete eine Lampe, deren Schein auf den Namen des Hotels fiel. Eine altmodische Drehtür mit Holzrahmen diente als Eingang. Sie ließ sich nur schwer bewegen und schleifte über den Boden. Malone hatte sich vorgenommen, noch einen Drink zu nehmen, deshalb steuerte er die kleine Hotelbar an. Sie gehörte praktisch noch zur Rezeption und war nicht größer als ein normales Wohnzimmer.
Hinter der Bar stand die Wirtin und polierte Gläser. Malone fand keinen weiteren Gast vor.
»Kann ich etwas zu trinken bekommen?« fragte er und ließ sich auf den Hocker gleiten.
»Gern. Was möchten Sie?«
»Geben Sie mir einen Bitterlemon.«
»Geht in Ordnung.« Die Frau trug ein graues Kostüm. Ihre Frisur zeigte einen flotten Schnitt. Das lange Haar hatte sie im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden.
Aus der kleinen Flasche schäumte die Flüssigkeit perlend in das Glas. Eiswürfel klimperten auch hinein, und mit einem freundlichen Lächeln wurde Rick das Getränk serviert.
»Danke.«
Er war durstig und trank fast die Hälfte leer. Die Jacke zog er aus und legte sie auf den Nebenhocker. Seine Waffe war unter dem Pullover verborgen.
»Hier ist es warm, nicht?«
Malone nickte. »Das können Sie wohl sagen.«
»Tut mir ja leid, Mister. Sie haben sich für Ihren London-Besuch nicht gerade das schönste Wetter ausgesucht.«
»Der Meinung bin ich auch. Wissen Sie, ich lebe eigentlich in der Einsamkeit und komme nicht oft in die Stadt. Auf dem Lande ist noch alles beschaulicher.«
Die Wirtin nickte. »Das stimmt. Mein Mann und ich haben auch vor, irgendwann die Stadt zu verlassen und die letzten Jahre auf dem Lande zu verbringen.«
»Wo wollen Sie denn hin? Haben Sie schon einen Plan?«
»Vielleicht nach Cornwall.«
»Ein sehr schönes, aber auch wildes Land.«
»Ja, Mr. Malone. Wir kennen es. Unseren Urlaub haben wir schon oft dort verbracht. Noch gefällt es uns hier.«
»Sie leben zumeist von Stammgästen – oder?«
»So ist es.«
Malone nickte. »Hier kann man sich auch wohl fühlen«, erklärte er. »Ein nettes Hotel.«
»Das sagen die meisten Gäste.«
»Dann bin ich der einzige Fremde, der hier wohnt?«
»So ungefähr.«
»Na ja, so ganz fremd bin ich in London nicht. Es hat nicht zufällig jemand nach mir gefragt?«
Hinter den Brillengläsern weiteten sich die Augen der Wirtin.
»Nein, Mr. Malone, niemand. Erwarten Sie denn Besuch?«
»Erwarten ist zuviel gesagt. Einige meiner Bekannten wissen, daß ich mich hier aufhalte. Es könnte sein, daß sie mich besuchen wollen. Aber ich bleibe noch etwas.« Er leerte sein Glas und wurde gefragt, ob er noch einen Schluck wollte.
»Nein, das reicht mir, danke.«
»Soll ich das Getränk auf die Rechnung setzen?«
»Ich zahle sofort.« Er legte das Geld auf die Theke, nahm die Jacke und verließ die Bar. An der Rezeption bekam er den Zimmerschlüssel. Der Raum lag in der zweiten Etage.
Auf den alten Fahrstuhl verzichtete er. Die krumme Treppe mit den hohen Stufen und dem Holzgeländer war mit einem dunkelroten Teppich belegt, der auch den Bodenbelag auf dem Gang bildete.
Rick Malone schloß die Tür mit der Nummer 9 auf. Er war vorsichtig, als er das Zimmer betrat, weil er mit Besuch rechnete. Niemand hielt sich zwischen den vier Wänden auf. Das Zimmer war auch nicht durchsucht worden, so etwas hätte Malone sofort bemerkt.
Die Tür zur Dusche hatte er nicht geschlossen. Sie stand auch jetzt noch offen.
Malone dachte daran, daß ihm ein Bad guttun würde. Er streifte die Kleidung ab und stellte die Dusche an. Es dauerte eine Weile, bis das Wasser heiß war, und er hatte auch Mühe, die Temperatur zu regulieren. Malone nahm die Hotelseife, die ihm zu sehr nach Parfüm roch. Nach dem Abtrocknen legte er sich rücklings auf das Bett und schaute gegen die Decke, die sich in ihrer Farbe kaum von den Tapeten abhob. Neben dem Bett befand sich das Fenster. Malone schaute nicht hinaus. Er wußte, daß an der Rückseite des Hotels ein schmaler Hinterhof lag mit tristen Fassaden und blinden Scheiben im Mauerwerk.
Er hatte seinen alten Freund James Powell ja für einen Spinner gehalten, nun mußte er seine Meinung revidieren. Dieser
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