0518 - Höllenparadies
gegeben. Weshalb Höllenparadies?«
»Es ist fast schon zu simpel. Weil Sie sich hier den Himmel als auch die Hölle leihen können. Die Hölle bei Horror-Streifen, der Himmel bei anderen Filmen.«
»Sex-Geschichten?«
»Auch das.«
»Sie sind gut sortiert, nicht?«
»Ich kann die Wünsche all meiner Kunden befriedigen, wenn Sie das meinen, John.«
Ich grinste. »Alle?«
»Die im Rahmen liegen.«
Ich schaute mich um und benahm mich bewußt etwas tolpatschig.
»Sie haben aber wenig Betrieb, Sandra.«
»Das wird sich legen. Am Morgen läuft es immer etwas Schwächer an. Gegen Abend wird es besser. Möchten Sie einen Kaffee oder einen Saft?«
»Saft wäre nicht schlecht.«
Sie bückte sich und holte unter der Theke eine Flasche und ein Glas hervor. Es war Bananensaft, den sie in das Glas kippte. Sandra selbst nahm nichts.
Ich prostete ihr zu und trank. Dann nickte ich. »Schmeckt nicht schlecht, wirklich.«
»Wir tun etwas für unsere Kunden.«
»Noch bin ich keiner.«
»Sie wollen doch sicher einer werden.«
»Das schon.«
»Dann schauen Sie sich bitte um, John. Lassen Sie sich Zeit. Noch haben Sie die freie Auswahl.«
Um nicht unglaubwürdig zu wirken, rutschte ich vom Hocker und begann mit meiner Wanderung entlang der Begalreihen. Meine Güte, hier war wirklich alles vertreten. Lady Sarah mußte einfach ihren Spaß haben, wenn sie der Videothek einen Besuch abstattete.
Ich interessierte mich besonders für die Rubrik des fantastischen Films, wozu ich Horror, SF und Fantasy zählte. Wer hier etwas suchte, wurde hervorragend bedient. Er konnte sich die Klassiker ebenso ausleihen wie die modernen Gruselstreifen.
Was ich tatsächlich suchte, fand ich leider nicht. Einen Hinweis auf Atlantis, auf das Auge.
Zwischendurch kamen auch Kunden, die kurz schauten, sich Filme liehen und rasch wieder verschwanden.
Sandra erledigte die Kundenwünsche mit einer Lässigkeit, die viel Profitum verriet.
»Na, was gefunden?« rief sie mir zu.
Ich drehte mich um. »Noch nicht.«
»Ist die Auswahl zu groß für Sie, John? Vielleicht kann ich Ihnen behilflich sein.« Sie verließ ihren Platz hinter dem Verkaufstresen und kam auf mich zu.
Erst jetzt wurde mein Wunsch erfüllt. Ich stellte fest, daß ihr Kleid nicht bis zum Boden reichte. Und der Schlitz im Kleid offenbarte viel.
Sandra besaß sehr gutgewachsene Beine. Ihre hochhackigen Pumps paßten in der Farbe genau zu ihren Haaren. Ein Flittergirl der ersten Klasse. Doch sie bestand nicht nur aus Fassade, sie war auch eine eiskalte Geschäftsfrau, sonst hätte sie einen Laden wie diesen nicht aufziehen können.
»Arbeiten Sie ohne Personal?« fragte ich.
Sie schaute mich verwundert an. Auf ihren Augendeckeln lag ein Hauch von Goldstaub. »Wie kommen Sie darauf?«
»Nur so.«
»Nein, das müssen Sie mir sagen, John.« Sie zielte mit dem goldlackierten Nagel des Zeigefingers auf mich. »Ein Mann wie Sie fragt nicht grundlos.«
»Ich wunderte mich darüber. Bei der Größe dieser Videothek müßten Sie eigentlich Personal haben.«
»Und ich dachte schon, daß Sie bei mir anfangen wollten, John.«
»Das hatte ich nicht vor.«
»Schade.«
»Wie ist das mit dem Personal?«
»Ja, ich beschäftige hin und wieder Aushilfskräfte, wissen Sie? Bekannte…«
»Ach so.«
»Dachten Sie denn an etwas anderes?« Sie kam näher. Ich nahm den Duft ihres Parfüms wahr. Er roch exotisch und auch fremd. Ich jedenfalls hatte ihn noch nie zuvor bemerkt.
Sandra kam wieder auf das eigentliche Thema zu sprechen. »Sie interessieren sich also für Filme. Horror, SF, Abenteuer…«
»In der Tat.«
»Und da finden Sie nichts?« Sandra deutete auf das große Regal mit Streifen aus diesem Genre.
»Die meisten kenne ich schon.«
»Dann kann ich Sie als einen Fachmann ansehen?«
»So ungefähr.«
Sie trat einen Schritt zurück und nickte. »Interessant«, sagte sie leise. »Wirklich interessant. Einen Menschen, der sich so auskennt wie Sie, trifft man selten.«
Ich hob die Schultern. »Dennoch habe ich ein Problem.«
»Ich helfe gern.«
»Es geht mir um dieses Emblem, das Auge, verstehen Sie?«
»Ach. Was wollen Sie denn damit?«
»Gar nichts, wirklich. Nur hat es mich seltsam berührt, denn so etwas ist mir neu. Das habe ich zuvor nie gesehen. Das Auge ist wirklich interessant. Es hat mich nicht losgelassen, als ich es zum erstenmal sah. Wie sind Sie auf das Emblem gekommen?«
»Es gefiel mir.«
»Das kann ich mir vorstellen. Ist es Ihnen einfach so eingefallen?
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